Immer mehr verstossen Subunternehmer aus der EU in krasser Weise gegen Schweizer Arbeitsbedingungen. Unterbinden könnte man solches Dumping durch eine griffige Solidarhaftung. Nur – als ob sie blind wären, sperrt sich die Mehrheit der Bürgerlichen gegen eine Solidarhaftung mit Zähnen.
20.8., Basel: Unia stellt auf Messebaustelle massives Lohndumping fest. 21.8.: SGB weist auf massives Dumping im Gartenbau. 22.8., Basel: Bauchauffeure mit 13 Franken Stundenlohn unterwegs. 22.8., Armasuisse Ittigen: Unia meldet massives Lohndumping und viel zu lange Arbeitszeiten.
Die Beispiele zeigen: in letzter Zeit explodieren die Fälle von Lohndumping durch Subunternehmer geradezu. Dass sie entdeckt wurden, erweist die Flankierenden Massnahmen noch nicht als scharfzahnig. Denn um weitere Fälle zu verhindern, wären präventiv wirkende Strafen notwendig. Die Krux bei Subunternehmern aus dem Ausland ist aber, Strafen überhaupt durchzusetzen. Das beginnt schon damit, dass man die Firma ausfindig machen muss…
Seit langem fordern deshalb die Gewerkschaften den Ausbau der sogenannten Solidarhaftung. Das heisst: der Erstunternehmer, der Teile seines Auftrages an andere Unternehmen ausgliedert, ist dafür verantwortlich zu machen, wenn die Subunternehmen die vertraglichen Arbeitsbestimmungen nicht einhalten. Von den verschiedenen Regelungen, die zur Auswahl stehen, hat sich der SGB immer zum Kettenmodell bekannt. Der Erstunternehmer wäre dabei für alle Subunternehmer verantwortlich, also auch für den Subsubunternehmer, der einen Teil seines Auftrags an einen Subsubsubunternehmer ausgliedert usw. Nur dann, wenn der Erstunternehmer im Fall von Missbrauch mitgebüsst werden kann, wird er sich bei der Weitergabe von Auftragsteilen genügend sorgfältig der Einhaltung der hier geltenden Arbeitsbedingungen annehmen. Dass das Modell in der Praxis funktioniert, zeigt das Beispiel von EU-Mitglied Österreich, das seine Flankierenden bei der Ost-Erweiterung so verschärft hat.
Dass man durch die Personenfreizügigkeit ausgelöstes Dumping bekämpfen muss, ist in den bürgerlichen Parteien jedoch nur halb durchgedrungen. Bundesrat Schneider-Ammann hat sich zwar diesbezüglich für „Ordnung im Stall“ ausgesprochen, aber gerade die Ordnungspolitiker aus den bürgerlichen Parteien gewichten die Entlastung von KMU von administrativen Aufgaben viel höher als den Lohnschutz. So hat die vorberatende Ständeratskommission Ende August, obwohl sich ihre Schwester aus der Volkskammer zuvor für eine griffige Solidarhaftung ausgesprochen hatte, einen Beschluss gefasst, der bei weitem nicht einmal Placebo-Wirkung entfalten kann. Der Kommission zufolge sollen Erstunternehmer ihre Subunternehmen lediglich in einem schriftlichen Vertrag dazu verpflichten müssen, die in der Schweiz geltenden minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen einzuhalten. Das ist wie eine kleine Nebelpetarde gegen einen Wirbelsturm – und ist umso arroganter, als die bürgerlichen Parteien in Sommersession versprachen, die Solidarhaftung noch dieses Jahr in einer separaten Vorlage zu den Flankierenden Massnahmen angehen zu wollen.
Noch kann der Ständerat im Plenum diesen falschen und zahnlosen Entscheid seiner Kommission in der Herbstsession, wo das Geschäft traktandiert ist, korrigieren. Er wäre gut beraten, das zu tun, denn wer Lohndumping nicht wirkungsvoll bekämpft, spielt schlussendlich jenen in die Arme, die am Totengrab der Bilateralen schaufeln.