Progressive Kräfte im EU-Parlament setzen starkes Zeichen für Schweizer Lohnschutz

  • Flankierende Massnahmen und Personenfreizügigkeit
Artikel
Verfasst durch Luca Cirigliano

Debatte im EU-Parlament über Rahmenvertrag Schweiz-EU

Der Streit um den Lohnschutz in der Schweiz kann nicht auf einen Konflikt zwischen der Schweiz und der EU reduziert werden. Es geht vielmehr um ein Ringen zwischen marktgläubigen Ideologen auf der einen Seite und progressiven Kräften, die das Wohl der Arbeitnehmenden höher gewichten als fetischisierte Marktprinzipien, auf der anderen. Gestritten wird dabei sowohl in der EU als auch in der Schweiz. Das zeigt eine Abstimmung im EU-Parlament zum Rahmenabkommen Schweiz-EU.

Dass sich das EU-Parlament zu dem letztes Jahr von Bundesrat Ignazio Cassis und seinem Chef-Diplomaten Roberto Balzaretti ausgehandelten Rahmenabkommen äussert, ist nichts Ungewöhnliches: das EU-Parlament verabschiedet regelmässig (unverbindliche) Resolutionen zur aussenpolitische Lage, insbesondere zu "Drittländern" wie die Schweiz. Ungewöhnlich ist eher, dass der Resolutionsentwurf stark von der EU-Kommission geprägt, ja diktiert worden war und deswegen die Flankierenden Massnahmen (FlaM) der Schweiz zum Schutz der Löhne und Arbeitsbedingungen kritisierte.

Deutlich zum Ausdruck bringt die Resolution den Kampf um ein soziales Europa. Die EU-Kommission sowie neo-liberale Kreise aus Parteien und Länder-Regierungen halten nichts vom Lohnschutz. Sie möchten ihn zurückfahren, gerade weil oder obwohl die europäischen Gewerkschaften nach 15-jährigem Kampf 2018 dank der Revision der Entsenderichtlinie Verbesserungen erreicht haben. Diese Fortschritte sind erfreulich, doch die Schweizer FlaM sind immer noch meilenweit besser. Oder in den Worten des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB): Sie sind ein eigentlicher Gold-Standard in Sachen Lohnschutz. Doch sowohl der EU-Kommission als auch ihren Schweizer Verbündeten Cassis und Balzaretti ist der Lohnschutz ein Dorn im Auge.

Immerhin haben diese Kräfte im EU-Parlament nun einen Schuss vor den Bug gekriegt: Der von der Kommission eingeflüsterten Resolution wurden bereits in der Vorberatung einige gegen den Schweizer Lohnschutz gerichtete Spitzen abgeschliffen. Übrig blieb ein tendenziöser Passus, in dem die FlaM als diskriminierend und unverhältnismässig kritisiert werden. Dies obwohl das Gegenteil der Fall ist und die Schweiz gemäss dem Freizügigkeitsabkommen eben gerade verpflichtet ist, alle Arbeitskräften aus der EU die "gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen" zu gewähren wie den inländischen Arbeitskräften.

Selbst dieser Passus hatte einen schweren Stand. Anträge der Fraktionen der Grünen und der Sozialdemokraten, welche die FlaM als gut und notwendig bezeichneten und von der Kommission forderten, im Rahmen des Rahmenabkommens die Finger davon zu lassen, sind nur knapp abgelehnt worden. Und beinahe wäre die Kritik einfach kurzerhand aus der Resolution gestrichen worden. 303 Abgeordnete sprachen sich gegen den Passus aus, 330 dafür.

Das ist ein starkes Signal der sozialen, progressiven Kräfte in Europa. Adressat ist dabei nicht nur die EU-Kommission. Das Signal richtet sich auch an die marktgläubigen Parteien in Europa und der Schweiz sowie alle Kräfte hüben wie drüben, die eine Personenfreizügigkeit mit nur schwachem sozialen Schutz für die entsandten Arbeitnehmenden und einen schrankenlosen Binnenmarkt für die Arbeitgeber wollen.

Die Abstimmung zeigt es deutlich: Die EU hat keine Einheitsmeinung zum Lohnschutz. Und der SGB ist nicht alleine in seinem Beharren auf einem starken Lohnschutz - die europäische Gewerkschaftsfamilie, der EGB, aber auch unsere Schwestergewerkschaften aus den Nachbarländern und Osteuropa unterstützen unseren Kampf. Sie sehen es wie der SGB: In Europa müssen wir die Löhne und Arbeitsbedingungen schützen - nicht die Grenzen. Diese Kreise gilt es nun in den Wahlen in Europa und in der Schweiz zu stärken. Ein soziales Europa ist möglich und notwendig.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

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daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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