Das Parlament verschliesst seine Augen vor dem Tieflohnproblem in der Schweiz. 330‘000 Menschen arbeiten hierzulande für weniger als 22 Fr./Stunde oder weniger als 4000 Fr. pro Monat (bei einer Vollzeitstelle). Das sind Löhne, die nur schlecht zum Leben reichen. Viele der Betroffenen verfügen über eine Berufslehre. Vor allem Frauen arbeiten zu Tieflöhnen. Trotzdem ist der Nationalrat dem Bundesrat und dem Ständerat gefolgt und lehnt es ab, etwas gegen so miese Löhne zu unternehmen. Nun muss das Stimmvolk entscheiden.
Statt das Tieflohnproblem ernst zu nehmen, singt die bürgerliche Mehrheit in Bundesrat und Parlament ein Loblied auf die Sozialpartnerschaft und will die Mindestlohn-Initiative mit Angstmacher-Argumenten schlecht reden. Beides ist nicht redlich. Denn die Sozialpartnerschaft ist schwach ausgeprägt. Weil sich viele Arbeitgeber weigern, Gesamtarbeitsverträge (GAV) mit verbindlichen Mindestlöhnen einzugehen, und weil es in zahlreichen Branchen gar keine Arbeitgeberorganisationen gibt, sind nur rund 45 Prozent der Arbeitnehmenden durch einen Gesamtarbeitsvertrag mit Mindestlohn geschützt.
Grundsätzlich falsch ist etwa auch das Argument, dass vor allem junge Menschen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt von Tieflöhnen betroffen sind. Die Statistik zeigt, dass drei Viertel der Be-troffenen 25 und älter sind. Da die jungen Erwachsenen über die Berufslehre ins Arbeitsleben einstiegen, ist das Tieflohnproblem in der Schweiz nicht ein Problem der jüngeren Arbeitneh-menden, sondern vor allem der Frauen mit Berufserfahrung.
Bundesrat und Parlament haben es verpasst, die Arbeitnehmenden vor Lohndruck und Arbeitgeberwillkür zu schützen. Sie verweigerten sich auch der Tatsache, dass ein verbindlicher Mindestlohn der beste Schutz gegen Lohndumping ist und unter den Arbeitgebern für gleich lange Spiesse sorgt. Das letzte Wort hat das Stimmvolk – voraussichtlich im Mai 2014. Der SGB, seine Verbände und Partner werden alles daran setzen, dem weit verbreiteten Wunsch nach Massnahmen gegen Tieflöhne zum Durchbruch zu verhelfen.
Auskünfte:
- Daniel Lampart, SGB-Sekretariatsleiter und Chefökonom, 079 205 69 11
- Thomas Zimmermann, Leiter Kommunikation SGB, 079 249 59 74