Neues Standardwerk zur „verkannten Arbeit“

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Bücher/Broschüren
Verfasst durch Ewald Ackermann, SGB-Information

Buchrezension - Angestellte und Gewerkschaften

Die Angestellten. Das sind bei weitem nicht nur Banker und Versicherer. Angestellte arbeiten auch in Call-Centers oder als Kassiererinnen, Köche, Krankenpflegerinnen, Kanalreiniger. Menschen, die oft verkannte und nicht gut honorierte Arbeit leisten. In einem neuen Buch wird die Geschichte der privaten Dienstleistungen aus gewerkschaftlicher Perspektive bis in unsere Tage aufgearbeitet.

A. Rieger, P. Pfister, V. Alleva: Verkannte Arbeit. Dienstleistungsangestellte in der Schweiz. Rotpunkt 2012. 175 S., 28 Fr.

Rund 60 % der Beschäftigten in der Schweiz arbeiten heute im privaten Dienstleistungsbereich. In den letzten gut 100 Jahren wurden sie oft als jene gesehen, die den sozialen Aufstieg geschafft hätten oder demnächst schaffen würden; weg von der dreckigen, hin zur sauberen Arbeit, weg von den mageren, hin zu den guten Löhnen. Andreas Rieger, Vania Alleva, und Pascal Pfister zeigen in ihrem neuen Werk: Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Häufig sind die Privatangestellten schlechter, teils gar markant schlechter gestellt und bezahlt als die Arbeitnehmenden in Industrie und Gewerbe. 1,9 Mio. Angestellte verdienen weniger als 6000 Franken pro Monat. Und für viele von ihnen stockt der Fahrstuhl nach oben.

Der mittlere Teil des Werkes beschäftigt sich vor allem mit der Selbst- und Fremdwahrnehmung der Angestellten, mit dem Prestige der Arbeit, einer Arbeit, die kaum wahrgenommen und wertgeschätzt werde. Dabei hätten diese Angestellten viel zu geben, erwarteten aber auch, etwas zurück zu bekommen. Das sei nicht der Fall und deshalb kämen sie sich „ausgesaugt“ vor.

Geschichte und Zukunft

In den beiden letzten Kapiteln arbeiten die Autoren die Geschichte der gewerkschaftlichen Organisierung im privaten Tertiärsektor auf. Der ausgeprägte Tertiarisierungsprozess von 1960 bis 1980 sei an den Gewerkschaften vorbeigegangen, „weil für die männlich dominierten Gewerkschaften die Feminisierung der Erwerbsarbeit nicht von Interesse war.“ Die Organisierung des privaten (nicht des staatlichen) Dienstleistungssektors überliessen die Gewerkschaften bis 1980 den Berufsverbänden (Ausnahme VHTL). Erst ab der Krise der 90er Jahre habe gewerkschaftliches Bewusstsein auch die Privatangestellten erreicht. Und zwar in doppelter Art: Zum einen hätten die traditionellen Gewerkschaften begonnen, sich intensiver um diesen Sektor zu kümmern (Initialzündung dafür die Gründung der „kleinen“ unia 1996); zum andern hätten auch die traditionellen Berufsverbände mehr zu klassisch gewerkschaftlichen Aktionsformen gegriffen und sich mehr dem SGB angenähert. Skizziert werden zum Schluss die angepackten Projekte weitergehender Organisierung im entsprechenden Sektor, wie sie vor allem (aber nicht nur) Unia ergriffen hat. Dokumentiert sind gleichzeitig die Arbeitsniederlegungen und Warnstreiks im privaten Dienstleistungsbereich der letzten 10 Jahre. Fazit der Autoren: den eingeschlagenen Weg weitergehen.

Mit „Verkannte Arbeit“ liegt ein neues Standardwerk zur Geschichte von Privatangestellten und ihrer gewerkschaftlicher Organisation vor. Es ist trotz einigen Theorieschlenkern zumeist leichtfüssig geschrieben und gehört damit auf den Lesetisch aller, die sich mit diesem Thema auseinander setzen.

Buchvernissage zu «Verkannte Arbeit» 

Montag, 22. Oktober 2012, 18 Uhr, «BuFFet», Monbijoustrasse 28, Bern (Berufs-Fach- und Fortbildungsschule Bern, 5. Min vom Bahnhof) 
  
An der Buchvernissagte findet ein Gespräch und Apéro mit Paul Rechsteiner (Präsident SGB), Daniel Oesch (Soziologe Uni Lausanne), den Buchautoren und ihren InterviewpartnerInnen statt. 

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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