Die Forderungen von SGB und Opfervereinigungen nach ganzheitlicher Bewältigung der Asbesttragödie zeigen erste Früchte. Der Bundesrat hat letzte Woche einen runden Tisch einberufen, um einvernehmliche Lösungen im Bereich der nicht UVG-versicherten Asbesterkrankten zu finden. Dieser Schritt reicht jedoch nicht: In der laufenden Revision des Verjährungsrechtes braucht es ganzheitliche Massnahmen, um Asbestkranken zu ihren Rechten zu verhelfen. Weiter muss das Parlament den Druck auf die Unternehmen aufrechterhalten, welche die Asbesttragödie verursacht haben.
Das Schweizer Verjährungsrecht in Zivilsachen wird aktuell neu geregelt. Die heutige zehnjährige Verjährungsfrist entspricht nicht den wissenschaftlichen Erkenntnissen im Bereich der Langzeit-Gesundheitsschäden bei Kontakt mit gefährlichen Stoffen wie z.B. Asbest (sogenannte Emerging Risks). Dies hat zuletzt vor Jahresfrist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte klar gemacht. Dieser hat festgehalten, dass das Schweizer Verjährungsrecht im Falle der Asbestkranken gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstösst.
Schweizer Verjährungsrecht muss EMRK-konform werden
Bei der laufenden Revision des Verjährungsrechts braucht es eine neue, opfergerechte Regelung der Fristen, innerhalb derer Asbesterkrankte Schadenersatz und Genugtuung fordern können. Der langen Latenzzeit von Asbesterkrankungen am besten Rechnung trägt eine Frist, die erst ab Ausbruch der Krankheit zu laufen beginnt. Allenfalls kann eine solche Regelung auch auf Asbesterkrankungen beschränkt werden.
Ganzheitliche Lösung nötig
Eine Reform des Verjährungsrechts reicht aber nicht, um eine ganzheitliche Lösung der Asbesttragöde zu erreichen. Es braucht auch einen von der ehemaligen Asbest-Wirtschaft alimentierten Fonds. Dieser soll Gerechtigkeit für die bereits erkrankten Personen schaffen. Auch wird in den nächsten Jahren die Prävention hinsichtlich Asbesterkrankungen zu verstärken sein. Weiter dürfen die grossen Ausgaben, welche die Suva im Zusammenhang mit der Asbest-Problematik bereits leistet und die noch auf sie zukommen werden, nicht einseitig auf einige gewerbliche Branchen abgewälzt werden: Es braucht einen angemessenen Ausgleich im ganzen Versichertenkollektiv.
Motion nötiger denn je
Die Motion „Fonds zur gerechten Entschädigung von Asbestopfern“, von der Rechtskommission des Nationalrates eingereicht, beauftragt den Bundesrat, einen Fonds zur vollumfänglichen Entschädigung nach Haftpflichtrecht für Asbestopfer einzurichten, die gegenüber einem zivil- oder vertragsrechtlich Haftenden aufgrund abgelaufener Fristen keine oder nur eine teilweise Genugtuung geltend machen konnten.
Das geht weiter als es der Auftrag zum runden Tisch des Bundesrates tut: Dieser beauftragt nämlich die Teilnehmenden, einvernehmliche Verbesserungen für die nicht UVG-versicherten Asbesterkrankten und ihre Angehörigen zu suchen. Andere Asbestbetroffene sollen nicht in den Genuss dieses Fonds kommen. Das ist problematisch und macht je nachdem eine Fondslösung, wie sie die Rechtskommission vorschlägt, immer noch nötig.
Weiter ist zu befürchten, dass die an den runden Tisch eingeladenen Vertreter von Unternehmen, welche seinerzeit die Asbesttragödie durch Verletzungen von Sorgfaltspflichten in Import, Produktion und Verarbeitung dieses hochgefährlichen Stoffes verursacht haben, ohne den Druck der nationalrätlichen Motion die Arbeiten des runden Tisches sabotieren werden.
Aus diesem Grund fordert der SGB, dass der Nationalrat das Leid der Asbestkraken ernst nimmt und mit der Annahme der Motion das richtige Zeichen setzt.