Nach wie vor massive Verletzungen

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Verfasst durch Ewald Ackermann

Zwar sind 2008 weltweit weniger Gewerkschafter/innen ermordet worden als im Vorjahr. Entlassungen und Verhaftungen wegen gewerkschaftlicher Aktivität haben jedoch zugenommen. Lichtblicke erwartet der IGB-Rapport für die USA und Australien. Kritisiert wird auch die Schweiz.

2008 sei erneut ein häufig gefährliches Jahr für Gewerkschafter/innen gewesen, so die diesjährige Ausgabe der Jährlichen Übersicht des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB[1]) über die weltweiten Verletzungen von Gewerkschaftsrechten. Der Rapport bekundet Verstöße gegen die grundlegenden Arbeitnehmerrechte in 143 Ländern.

Morde – und die Regierung schaut nicht hin

Weltweit wurden 76 Gewerkschafter/innen (2007: 91) aufgrund ihres Einsatzes für die Arbeitnehmerrechte getötet, allein in Kolumbien 49. Damit ist Kolumbien für Gewerkschafter/innen erneut das gefährlichste Land der Welt. Ermordet wurden Gewerkschafter/innen ebenso in Guatemala (9), in den Philippinen und in Venezuela (je 4), sowie in Honduras, Nepal, im Irak, in Nigeria, Panama, Tunesien und Simbabwe. In zahlreichen Fällen waren die Regierungen in die Morde verwickelt. Zudem wurden in sieben Ländern insgesamt 50 Morddrohungen dokumentiert, ebenso wie etwa 100 tätliche Angriffe in 25 Ländern. In mindestens neun Ländern (Birma, Burundi, China, Kuba, Iran, Südkorea, Tunesien, Türkei und Simbabwe) ließen die Regierungen Gewerkschafter/innen aufgrund ihres legitimen Engagements verhaften. IGB-Generalsekretär Guy Ryder kritisiert im Rapport denn auch, dass die Behörden „in einigen Fällen gemeinsame Sache mit skrupellosen Arbeitgebern machen".

Systematische Entlassungen 

In 68 Ländern, darunter 20 allein in Afrika, wurden etwa 7.500 Fälle verzeichnet, in denen gewerkschaftlich aktive Beschäftigte entlassen wurden. Diese Fälle sind jedoch lediglich die Spitze des Eisbergs, da zahlreiche weitere Entlassungen nicht gemeldet werden. Am schlechtesten schnitt in dieser Hinsicht die Türkei ab, wo mehr als 2.000 gewerkschaftsbedingte Entlassungen verzeichnet wurden und sich die Regierung gegenüber Gewerkschaftsaktivitäten weiterhin intolerant zeigte. In Indonesien, Malawi, Pakistan, Tansania und Argentinien wurden ebenfalls Hunderte von Gewerkschafter/innen entlassen.

In Birma, China, Laos, Nordkorea, Vietnam und zahlreichen anderen Ländern waren lediglich die offiziellen, staatlich kontrollierten Gewerkschaften zugelassen, während in Saudi-Arabien nach wie vor keine wirkliche Gewerkschaftsarbeit möglich war. Zu erheblichen Eingriffen der Regierung in Gewerkschaftsangelegenheiten kam es auch in Weissrussland.

Spezielle Bedrohungen

Der IGB verweist zudem auf die Folgen der globalen Finanzkrise. Ab Herbst 08 sind die Sicherheit der Arbeitsplätze, die Löhne und die Arbeitsbedingungen so weiter unter Druck geraten.  In den Freien Exportzonen (FEZ) der Welt sind die Arbeitnehmerrechte 2008 verstärkten Angriffen ausgesetzt gewesen. Und: 22 Länder werden aufgrund der Ausbeutung von Wanderarbeitskräften kritisiert. Häufig können diese sich kaum dagegen wehren, weil ihnen selbst grundlegendste Rechte verweigert werden.

Einige Lichtblicke

Und die Industriestaaten? Hier verweist der Bericht auf zunehmende Leiharbeit. Das Ziel: die Löhne, die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsrechte untergraben. Es gibt aber auch Positives zu vermerken. In Australien und den USA, die in den letzten Jahren arbeitsrechtlich besonders schlecht abgeschnitten haben, lässt der Regierungswechsel auf neue Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten hoffen. Auch in Burkina Faso, Kenia und Mosambik ist gedämpfter Optimismus erlaubt. In diesen Staaten sind neue Gesetze verabschiedet worden, die eine gewerkschaftliche Organisierung ermöglichen. Und auf den Malediven garantiert die neue Verfassung die Vereinigungsfreiheit und das Streikrecht.

Schweiz: betrüblich

Zwar geht es hierzulande nicht um Mord und Totschlag. Der Bericht hält aber die dunklen Seiten hiesigen Geschehens so kurz und unmissverständlich fest, dass wir ihn hier kommentarlos zitieren können: „Es gab keinen Fortschritt bei den Bemühungen, den rechtlichen Schutz gegen gewerkschaftsfeindliche Entlassungen zu verbessern. Im Verlauf des Jahres verloren verschiedene Aktivisten in mindestens fünf Unternehmen ihren Arbeitsplatz. Es gibt zunehmend Maßnahmen, die verhindern, dass Gewerkschaften Arbeitsplätze besuchen. Der Einzelhandelsriese Migros stach erneut aufgrund seiner gewerkschaftsfeindlichen Unternehmenspolitik hervor.“

Quelle: http://survey09.ituc-csi.org


[1] Der IGB vertritt 170 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in 312 Mitgliedsorganisationen und 157 Ländern.

Zuständig beim SGB

Luca Cirigliano

Zentralsekretär

031 377 01 17

luca.cirigliano(at)sgb.ch
Luca Cirigliano
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