Lohnungleichheit wächst

  • Gleichstellung von Mann und Frau
  • Löhne und Vertragspolitik
Artikel
Verfasst durch Michela Bovolenta

Nach der jüngsten Schweizer Lohnstrukturerhebung LSE von 2012 ist der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen wieder angewachsen - ein schlechtes Signal für die Gleichstellung. Das zeigt: Mit dem Lohngleichheitsdialog, der auf das freiwillige Engagement der Arbeitgeber gesetzt hatte, kann die Lohngleichheit nicht durchgesetzt werden. Deutlich wird, dass es jetzt eine neue Gesetzesbasis braucht, welche endlich schweizweite Lohnkontrollen einführt.

Die Lohngleichheit tritt an Ort: 18 Jahre nach Inkrafttreten des Gleichstellungsgesetzes liegt die Lohndifferenz immer noch bei hohen 18.9 %. Sie ist in den letzten 2 Jahren sogar angewachsen: 2010 war sie bei 18.4 %.

Ein Schritt vorwärts und zwei Schritte zurück

Der Medianlohn der Männer ist von Fr. 6346.- (monatlicher Bruttolohn) im Jahr 2010 auf Fr. 6553.- angewachsen, das entspricht einem Anstieg von 3.2%. Der Medianlohn der Frauen ist von Fr. 5176.- auf Fr. 5317.- gewachsen, ein Anstieg von knapp 2.7%. Trotz niedrigerer Löhne gab es keinen "Aufholeffekt" für die Arbeitnehmerinnen. Der Lohngleichheitsdialog, der auf den guten Willen der Unternehmen zur Beseitigung der Lohndiskriminierung zwischen Frauen und Männern setzte, war nicht zielführend.

Migrantinnen sind doppelt diskriminiert

Migrantinnen werden im Hinblick auf die Löhne doppelt diskriminiert. Die Zahlen des Bundesamt für Statistik BfS zeigen den Fortbestand der Lohnhierarchie: Oben finden sich die Schweizer Männer, mit einem Medianlohn von Fr. 6960.-, gefolgt von ausländischen Männern, deren Lohn ungefähr 15% tiefer liegt (5921.-). Es folgen die Schweizer Frauen, deren Löhne um 21% unter den Löhnen der Schweizer Männer liegen (5482.-), und zuletzt die Migrantinnen, mit einem Unterschied von 30% (Fr. 4894.-) im Vergleich zu den Schweizer Männerlöhnen.

Es handelt sich hier um standardisierte, auf Vollzeit hochgerechnete Zahlen, man kann die Differenzen also nicht direkt auf Teilzeitarbeit zurückführen. Die Unterschiede zeugen auch vom Anhalten der beruflichen Segregation und der Abwertung von Arbeiten, die Frauen im Allgemeinen und Migrantinnen im Besonderen zugeordnet werden. So beträgt der Medianlohn einer Frau im Bereich "Persönliche Dienstleistungen" nur Fr. 3678.-, der Lohn einer Frau im Detailhandel Fr. 4450.-.

Hohe Löhne und Boni sind männlich

Die Lohnunterschiede wachsen auch deshalb an, weil die Kaderpositionen faktisch für Männer reserviert sind - sie besetzen drei Viertel der Direktionsposten und zwei Drittel der Chefposten. Wenn es eine Frau in eine Kaderfunktion schafft, muss sie sich mit einem Durchschnittslohn begnügen, der 32% tiefer ist als der ihres männlichen Kollegen!

Auch die Boni sind eine Quelle für Lohnungleichheit. Sie werden häufiger an Kader ausbezahlt, die eben mehrheitlich Männer sind. Im Detailhandel, wo ein Fünftel der Löhne unter Fr. 4000.- pro Monat liegt, beträgt der durchschnittliche Bonus für die hohen Kader Fr. 28'700.-, gegenüber Fr. 1700.-- für das übrige Personal. Im Versicherungssektor oder im Sektor Finanzdienstleistungen, wo es viele männliche Kadermitarbeiter gibt, werden Boni von durchschnittlich Fr. 94'000.- respektive Fr. 132'500.- ausbezahlt.

Namhafte Lohnunterschiede bei gleichem Profil

Allerdings gibt es auch unabhängig von der unterschiedlichen Position von Männern und Frauen am Arbeitsmarkt nach Angaben des BfS anhaltend grosse Lohnunterschiede, unter anderem auch, wenn man Männer und Frauen mit gleichwertigem Profil und gleichem Alter vergleicht. So verdient eine Frau zwischen 40 und 49 Jahren mit einer Stelle mit sehr hohem Anforderungsniveau 25% weniger als ihr Kollege! Und eine Frau mit einem Lehrabschluss (und ohne Kaderfunktion) erhält 12.4% weniger als ihr Kollege mit gleichem Status.

Lohnunterschiede auch im öffentlichen Dienst

Die Auswertungen der Lohnstrukturerhebung 2012 liegen bisher erst für den Privaten Sektor vor. Daher können im Augenblick noch keine aktuellen Aussagen zum öffentlichen Dienst gemacht werden. Allerdings wissen wir aus früheren Untersuchungen, dass diskriminierende Lohnunterschiede auch im öffentlichen Dienst zu finden sind, wobei die Gründe insbesondere lohnwirksame Bewertungen, Boni und berufliche Segregation (Unterbewertung von Frauenberufen) sind.

Die Lohnunterschiede wachsen: Jetzt braucht es Kontrollen!

Es ist bekannt, dass es für Fortschritte in der Gleichstellung viele verschiedene Massnahmen braucht (wie es auch die Synthese zum NFP60 "Gleichstellung der Geschlechter" zeigt), namentlich im Bereich der Arbeitszeit, der Arbeitsteilung sowie der Infrastrukturen zur Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen.

Da die Lohnunterschiede, vor allem zwischen Männern und Frauen, wachsen, braucht es aber insbesondere dringend Massnahmen für die Lohngleichstellung. Lohnkontrollen sind eine solche Massnahme. Sie würden einen echten Schritt nach vorne bewirken. Es sei daran erinnert, dass das Vorprojekt zum Gleichstellungsgesetz vorsah, dem Eidgenössischen Gleichstellungsbüro Untersuchungskompetenzen zu geben. Diese Kompetenzen wurden auf Druck aus Arbeitgeberkreisen nicht ins Gesetz aufgenommen. 20 Jahr später ist der Beweis erbracht, dass die Gleichstellung ohne zwingende Massnahmen nicht vorankommt. Daher fordern wir heute, dass eine Behörde mit entsprechenden Kompetenzen und den notwendigen Ressourcen eingerichtet wird.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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