Kaum hat die Schweizer Nationalbank die Kursuntergrenze von 1.20 Fr. zum Euro aufgegeben, brennen bei gewissen Arbeitgebern die juristischen Sicherungen durch. Es geistern Ideen herum, für Grenzgänger Löhne zu senken oder in Euro zu zahlen. Einige Arbeitgeber wollen sogar allen Arbeitnehmenden neu die Löhne in Euro bezahlen. Die juristische Lage und die Rechtsprechung sind klar: All diese Massnahmen sind verboten.
Der Franken ist überbewertet. Der ungünstige Eurokurs schmälert in vielen Betrieben den Ertrag. Gewisse Firmen werden deshalb in nächster Zeit prüfen, wie sie mit Lohnsenkungen oder Lohnzahlungen in Euro ihre Produktionskosten drücken können, um so das Währungsrisiko auf ihre Mitarbeitenden abzuwälzen.
Gewisse Arbeitgeber möchten den Grenzgängern den Franken-Lohn kürzen oder in Euro auszahlen. Andere möchten gar allen Arbeitnehmenden, auch den in der Schweiz wohnhaften, den Lohn neu in Euro ausbezahlen. In eine ähnliche Richtung geht der Vorschlag, die Löhne durch Anbindung an den Wechselkurs zu senken. Diese Massnahmen widersprechen allen einschlägigen arbeitsrechtlichen Prinzipien und der Rechtsprechung.
Arbeitgeber hat nicht einfach freie Hand
Der Arbeitgeber verfügt über Handlungsspielraum bei der Festlegung der Löhne und damit auch bei deren Senkung (zu respektieren sind allerdings die Vorschriften der Änderungskündigung), wenn er dabei Treu und Glauben sowie die guten Sitten respektiert und wenn dabei der Lohnbe-trag objektiv und genügend vorhersehbar ist. Er kann Löhne jedoch nicht einseitig senken.
Art. 323b Obligationenrecht (OR), bestimmt weiter, dass der Arbeitgeber den Lohn in einer „gesetzlichen Währung“ zu entrichten hat; diese Währung ist ein notwendiger Bestandteil des Arbeitsvertrages und darf nicht einseitig vom Arbeitgeber geändert werden.
Bei der Gestaltung des Vertrages sind die Arbeitgeber nicht frei: Es gilt einerseits der arbeitsrechtliche Schutzgedanke, welcher die Arbeitnehmenden als regelmässig schwächere Partei vor gewissen Vertragsänderungen schützt. Weiter gilt das Freizügigkeitsabkommen (FZA), welches Lohndumping von Schweizer Arbeitnehmenden via Diskriminierung von EU-Bürgern verhindern will.
Unternehmerrisiko nicht abwälzen
Die Überwälzung des Unternehmerrisikos auf die Arbeitnehmenden ist verboten (zwingende Bestimmung von Art. 324 OR, welche weder durch Einzelarbeitsvertrag noch GAV geändert werden kann). Genau darum handelt es sich, wenn ein ungünstiger Wechselkurs die Ertragsaussichten einer Firma trübt. Der Wechselkurs ist Teil des Unternehmerrisikos; der Arbeitgeber muss dieses vorausschauend übernehmen. Er allein profitiert ja auch davon, wenn der Wechselkurs in die andere Richtung ausschlägt und so den Ertrag des Unternehmens erhöht. Weiter verbietet die juristische Lehre Lohnsenkungen als Form einer Beteiligung am negativen Geschäftsgang einer Firma. Auch dies stellt nämlich eine Beteiligung des Arbeitnehmers an einem negativen Geschäftsergebnis und ist gem. Art. 322a OR verboten.
Solche Bestimmungen, seien sie nun eingeführt durch gemeinsame Vereinbarung, durch Änderungskündigung oder durch kollektive Vereinbarung, sind folglich nichtig. Sie sind auch nicht abzustützen auf „Krisenartikel“ in einem GAV, denn diese müssen zwingendes Recht respektieren (Art. 358 OR). Ein Arbeitgeber, der regelmässig die Löhne den Veränderungen des Wechselkurses anpasste, begeht Rechtsmissbrauch (Art. 2 ZGB).
Grenzgänger sind kein arbeitsrechtliches Freiwild
Das Diskriminierungsverbot in Art. 2 FZA (präzisiert in Art. 9 Abs. 1 Anhang I FZA) verbietet eine unterschiedliche Behandlung nach Nationalität oder Wohnort. Wirtschaftliche Gründe wie etwa die Änderungen des Wechselkurses können solche Diskriminierungen nicht rechtfertigen. Deshalb kann der Arbeitgeber nicht allein nur für seine aus der EU stammenden Arbeitnehmer oder nur für Grenzgänger den Lohn an den Wechselkurs anbinden. Das schützt auch die in der Schweiz wohnhaften Arbeitnehmenden: Denn man kann sie nicht mit „billigen“ Grenzgängern konkurrenzieren oder gar ersetzen.
Und alle Arbeitnehmenden?
Wäre es nun aber möglich, für alle Arbeitnehmenden, unbesehen des Wohnortes, die Löhne in Euro auszubezahlen? Oder an den Lohn an den Euro anzubinden? – Nein!
Denn wie oben beschrieben würden solche Klauseln sowohl in Änderungskündigungen wie auch in Einzelarbeitsverträgen oder GAV eine verbotene Überwälzung des Unternehmerrisikos auf die Arbeitnehmenden darstellen (Art. 324 OR bzw. gem. Art. 322a OR).
Vertragsänderungen oder (Änderungs-)Kündigungen, welche als Begründung bzw. Inhalt eine solche Lohnänderung in Euro und/oder eine Variabilität des Lohnes zur Folge hätten, wären also nichtig und rechtsmissbräuchlich (Art. 2 ZGB).
Einschlägige Gerichtsurteile:
<media 2633>Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Zivilrecht vom 17. Dezember 2012, Nr. 400 12 152. </media>
Weiterführende Literatur:
Tobler Christa, Indirekte Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit durch Lohnsenkungen bei schwachem Euro-Kurs, in: Zur Emeritierung von J. Stöckli (Festschrift), Bäni Eva Maria et al. (Hrsg.), Zürich 2014, S. 649 ff.
Pärli Kurt, Neues beim arbeitsrechtlichen Diskriminierungsschutz – mit einem Seitenblick auf die Entwicklung in der europäischen Union, in: Jusletter vom 27. Februar 2011.
<media 2635>Schwaab Jean-Christophe: Paiement du salaire en euros, adaptation au cours de l'euro : que dit le droit du travail ? In: Jusletter vom 8. August 2011.</media>