Lohnexzesse stoppen mit 1:12

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Verfasst durch Ewald Ackermann

Gerechte Löhne: Nationalrat ist am Zug

Am 27. September wird sich der Nationalrat mit der Juso-Volksinitiative „1 : 12 – Für gerechte Löhne“ befassen. Sie verhindert Lohnexzesse und drückt gewaltig, aber ungerechtfertigt gewachsene Lohnscheren wieder zu, indem sie Mindest- und Maximallohn aneinander bindet. Ein Ja zum Volksbegehren ist für Gewerkschaften nichts als logisch.

Zuerst implodierte der Ostblock. Dann explodierten die Löhne der Spitzenmanager. Beispiel für die Schweiz: Das Verhältnis vom allerhöchsten zum allertiefsten Lohn beträgt 2011 bei Novartis 266:1, bei Nestlé 215:1, bei Roche 213:1. Oder: Nimmt man für das dasselbe Jahr die oberste Managementebene von 41 grossen Schweizer Unternehmen und vergleicht mit deren niedrigsten Lohnsegment, dann kommt man auf einen Wert von 39:1.

Die Empörung über die Abzocker, diese neue Feudalcliqué, ist gross. Massnahmen aber, die wirklich ins Räderwerk dieser ungerechten Verteilung griffen, sind selten. Einer, der seinen Frust zur Tat transformiert hat, ist Thomas Minder. Er will mit seiner Volksinitiative Abzockerlöhne in den Griff bekommen. Minder vertraut dabei auf die Aktionäre. Sie sollen’s richten. Die Frage aber sei erlaubt: Wollen sie, die Aktionäre, dies denn wirklich richten? Gehören sie, oder doch wenigstens ein stimmangebender massgeblicher Teil von ihnen, nicht allzu oft zur gleichen Kaste? Im angelsächsischen Raum, wo Aktionärsversammlungen über die Gehälter der Geschäftsleitung abstimmen können, sind erfolgreiche Anträge zur Rückstufung exzessiv Entlöhnter so selten wie Elefanten im Meer.

Der Vorschlag der Juso-Volksinitiative dagegen ist wirksam. Er greift direkt ins Räderwerk ungerechter Verteilung. Zudem ist er schlank und einprägsam. Der höchste Lohn in einem Unternehmen darf höchstens 12 x höher sein als der tiefste Lohn im selben Unternehmen. Oder anders gesagt: der Spitzenmanager darf in einem Monat das verdienen, was der tiefst bezahlte Mitarbeiter in einem Jahr verdient. Mehr aber nicht. Immerhin: zahlt ein Unternehmen tiefste Löhne von 4000.- im Monat, wie das die entsprechende SGB-Volksinitiative vorsieht, dann gibt’s für die Spitzen desselben Betriebs immer noch 576‘000.- pro Jahr. Am Hungertuch nagen müssen sie nicht…

Die Gewerkschaften sind klar und eindeutig für den 1:12-Volksvorschlag. Das spiegelt sich schon nur darin, dass die Präsidien aller grossen SGB-Verbände im Initiativkomitee vertreten sind. Das wichtigste Argument ist Verteilgerechtigkeit. Die heutigen Lohnscheren sind reine Willkür. Sie sind Ausdruck einer arroganten Mentalität, die wirtschaftlichen Erfolg nur als Produkt einer schmalen Managerelite sieht. Das ist zu korrigieren. 1:12 tut es.

Und die Drohung, von Nestlé-Chef Brabeck beispielsweise, im Fall einer angenommenen Initiative mitsamt seinem Unternehmen auszuwandern? Weltkonzerne sind nicht so schnell und schmerzlos disloziert. Das gilt insbesondere für jene, die vom Schweizer Label profitieren. Und wenn ein Fürst nur bleiben will, wenn er hier in Saus und Braus abzocken kann, dann soll er halt gehen. Die Schweiz ist nicht Liechtenstein.

1:12 steht für soziale Gerechtigkeit in der Wirtschaft. Irgendwer muss anfangen, für einigermassen gerechte Verhältnisse auch in den Betrieben zu sorgen. Auch das kann rundum Sogwirkung entfalten. Die Schweiz hat, um das demokratische Selbstbestimmungsrecht zu bekommen, als erste ihre Fürsten verjagt. Das haben die Franzosen und die Deutschen erst viel später gemacht. Wenn wir jetzt die Fürsten in der Wirtschaftswelt verjagen – oder bloss zur Vernunft bringen – dann wird das ausstrahlen.

Manchmal sind im Leben auch mutige Entscheidungen zu treffen. Der aufrechte Gang gehört dazu. 

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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