Kontingente schützen vor gar nichts

  • Flankierende Massnahmen und Personenfreizügigkeit
  • Schweiz
Artikel
Verfasst durch Daniel Lampart

Warum es jetzt mehr und nicht weniger Lohnschutz braucht


Bereits fordern SVP-Politiker den Abbau der flankierenden Massnahmen. Das wäre eine verheerend -  für alle Arbeitnehmenden.

Plötzlich kam auch die SVP mit dem Thema «Lohndruck». Plötzlich pries sie ihre Initiative «gegen Masseneinwanderung» als Schutz vor Lohndumping an. Wir Gewerkschaften warnten schon im Abstimmungskampf: Die SVP-Abschottungs-Initiative wird den Druck auf die Löhne und Arbeitsplätze sogar noch verstärken. Oder wie es ein Kollege ausdrückte: «Die SVP-Initiative hat mit dem Schutz der Löhne und Arbeitsplätze ungefähr so viel zu tun wie ein Krokodil mit einem Meerschweinchen.» Schlimmer noch, das zeigt sich jetzt, nach der Annahme der Initiative: Wenn es nach der SVP ginge, sollen die bisherigen Lohnschutz-Massnahmen sogar fallen.  

Plötzlich zeigt die SVP ihr wahres, arbeitnehmerfeindliches Gesicht. Der Bündner SVP-Migrationspolitiker Heinz Brand etwa verlangt nun einen Abbau der flankierenden Massnahmen. Und auch der freisinnige Gewerbeverbands-Direktor Hans-Ulrich Bigler kann sich – im Unterschied zu einem grossen Teil der Gewerblerbasis - gut vorstellen, ohne Flankierende, aber mit Kontingenten zu geschäften.

Eine Schweiz mit weniger Lohn- und Arbeitsplatzschutz wäre jedoch schlimm, denn schon heute hat der Lohnschutz Lücken. Die Schweiz braucht deshalb schärfere flankierende Massnahmen, und nicht schwächere. Nach dem Ja zur SVP-Abschottungsinitiative erst recht.

Chinesen auf dem Bau?

Die SVP-Initiative will zurück zu einer Kontingentwirtschaft. Doch Kontingente ohne flankierende Massnahmen schützen die Erwerbstätigen in der Schweiz in keiner Art und Weise. Ein Beispiel: Hätte die Bauwirtschaft Anrecht auf 20 000 Kontingente, ohne Auflagen, so könnten die Baumeister theoretisch 20 000 Chinesen zu Billiglöhnen einstellen. Die Arbeitnehmenden in der Schweiz hätten dann keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt. Ihre Löhne kämen unter Druck.

Zwar will die SVP-Initiative, dass der Bundesrat  bestimmen soll, wie viele Kontingente überhaupt vergeben werden. Die Realität aber ist anders, das wissen wir aus den frühen 1990er-Jahren. Damals gab es auch Kontingente in der Schweiz. Und es war die Wirtschaft, die beim Bundesrat Druck machte, damit sie so viele Arbeitskräfte aus dem Ausland holen konnte, wie sie brauchte. 

Es ist alles andere als ein Zufall, dass damals die Einwanderung in die Schweiz so hoch war wie nie mehr seither. Über die Kontingente hinaus holten die Arbeitgeber damals zusätzliche Arbeitskräfte schwarz ins Land. Zum Beispiel für die Landwirtschaft. In der offiziellen Statistik sind diese schwarz geholten Saisonniers noch nicht mal aufgeführt. 

Lohndumping fliegt auf

Vor der Einführung der Personenfreizügigkeit und der  flankierenden Massnahmen war Londumping ein weit verbreitetes Phänomen. Denn es gab keine Kontrollen in den Betrieben. Eine Studie der Uni Genf zeigt: Ein Saisonnier erhielt damals für die genau gleiche Arbeit fast 15 Prozent weniger Lohn als ein Schweizer. Auch die Löhne der Grenzgängerinnen und Grenzgänger waren tiefer. Erst mit  den Flankierenden, mit den Lohnkontrollen und Bussen, besserte sich die Situation.

Heute fliegen Dumpingfälle auf. In den letzten Jahren verbesserten sich deshalb auch die Löhne der Grenzgänger. Das wirkt sich nicht nur positiv für sie selber aus. Es hilft allen Arbeitnehmenden in der Schweiz. Auch ihre Löhne geraten jetzt weniger unter Druck.

SVP gegen Lohnschutz

Die Personenfreizügigkeit mit der EU führte dazu, dass die Arbeitgeber in der Schweiz vor allem Arbeitskräfte aus Ländern holten, in denen die Löhne und Arbeitsbedingungen ähnlich sind wie in der Schweiz. Beispielsweise aus Deutschland. Auch das kann sich ändern, wenn die SVP sich durchsetzt. Denn ihre Abschottungs-Initiative sagt nichts zu diesem Thema: Sie überlässt es den Firmen, wo auf der Welt sie ihre Arbeitskräfte holen wollen.

Bereits fordern SVP-Gewerbepolitiker und Arbeitgeber Felix Müri und SVP-Migrationspolitiker Brand asiatisches Personal fürs  Gesundheits- und Pflegebereich. In den Schweizer Spitälern und Altersheimen sollen Chinesen und Philippinas arbeiten. Und das bestimmt zu deutlich tieferen Löhnen als sie heute im Gesundheitswesen üblich sind. Logische Folge: Der Lohndruck in der Branche steigt.

Der Arbeitnehmerschutz war der SVP schon immer ein Dorn im Auge. Blochers Partei war auch gegen die flankierenden Massnahmen gewesen. Deshalb schaut die Partei, dass die Arbeitgeber auch nach dem 9. Februar so viele Arbeitskräfte im Ausland holen können, wie sie wollen. SVP-Hardliner Luzi Stamm bietet schon an, dass der Bundesrat Grenzgänger von den Kontingenten ausnehmen könne. Dies, obwohl die SVP-Initiative das Gegenteil verlangt.

Es braucht Bilaterale

Wir Gewerkschaften werden einen Abbau des Lohnschutzes bekämpfen. Die Flankierenden müssen verschärft, nicht geschwächt werden. Wir akzeptieren auch keine Schlechterstellung der Arbeitnehmenden ohne Schweizer Pass. Wir bekämpfen die Einführung eines neuen Saisonnierstatuts, dieses hätte auch für die Schweizer Arbeitnehmenden verheerende Folgen. Auch ihre Löhne kämen heute, wie damals, unter Druck. Deshalb setzten wir uns für eine Weiterführung der bilateralen Verträge mit der EU ein. Ohne Bilaterale würde es Druck geben auf die Löhne und Arbeitsplätze in der Exportwirtschaft. Darunter würden schliesslich auch Verkäuferinnen leiden oder Maler. Denn als kleines Land verdient die Schweiz einen grossen Teil des Wohlstands im Geschäft mit dem Ausland. Und das soll auch so bleiben.

 

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

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Daniel Lampart
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