Keine negativen Effekte des Neuenburger Mindestlohns

  • Arbeit
Artikel
Verfasst durch Daniel Kopp

Mindestlohn bewirkt Anstieg der Tieflöhne und Umwandlung prekärer Minijobs in reguläre Beschäftigung

Gross war die Angst(macherei) der Neuenburger Wirtschaftskreise vor dem im Jahr 2011 vom Volk angenommenen kantonalen Mindestlohn. Bis vors Bundesgericht wurde prozessiert, doch dieses schmetterte den Rekurs ab und so wurde in Neuenburg im August 2017 ein kantonaler Mindestlohn von 19.70 pro Stunde eingeführt – der erste in der Schweiz. Arbeitgebervertreter sahen öffentlichkeitswirksam Entlassungen, Standortverlagerungen und eine Verschärfung der bereits angespannten Situation für Arbeitslose auf den Kanton zukommen.

Eineinhalb Jahre später, dürften sich diese Kreise verwundert die Augen reiben:  Von August 2017 bis Dezember 2018 sank die Arbeitslosenquote Neuenburgs von hohen 5,3% auf 4,1%. Im gleichen Zeitraum erhöhte sich die Arbeitslosenquote im Mindestlohnfreien Nachbarkanton Freiburg von 2,8% auf 3,1%. Und auch in den weiteren Nachbarkantonen, Waadt und Bern, ist die Zahl der Arbeitslosen weniger stark zurückgegangen als im Kanton Neuenburg (vgl. Grafik). Auch punkto Beschäftigungsentwicklung schneidet der Kanton Neuenburg in den eineinhalb Jahren seit Einführung des Mindestlohnes besser ab als die Grossregion Espace Mittelland, welche neben Neuenburg die Kantone Bern, Freiburg, Solothurn und Jura umfasst.

Keine grosse Überraschung ist diese Entwicklung für Arbeitsmarktökonominnen sowie für regelmässige Leser dieser Kolumne. Denn die Neuenburger Geschichte kommt bekannt vor: Gross war auch die Angst(macherei) der Deutschen Wirtschaftskreise vor dem im Jahr 2015 eingeführten Deutschen Mindestlohn (vgl. Wirtschaftslektion vom Nov. 2017). 4 Jahre später weist Deutschland die niedrigste Erwerbslosenquote seit der Widervereinigung auf. Wissenschaftliche Studien finden keine negativen oder lediglich minimale Auswirkungen des Mindestlohns auf die Beschäftigung. Stattdessen hat er zu einem Anstieg der Tieflöhne sowie zur Umwandlung prekärer Minijobs in reguläre Beschäftigungsverhältnisse geführt.  Die Unternehmen waren offenbar in der Lage, die höheren Löhne über tiefere Margen, höhere Preise oder eine höhere Produktivität zu kompensieren. Die grössere Kaufkraft der Geringverdiener dürfte zudem zusätzlich positive Beschäftigungseffekte gehabt haben. Die Beispiele Neuenburg und Deutschland bestätigen damit die neuere wissenschaftliche Forschung. Sie zeigt, dass Mindestlöhne selten zu Beschäftigungsverlusten führen, sondern vor allem die Situation von Geringverdienern verbessern.
 

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
Top