Kein Dschungelgesetz für den Detailhandel!

  • Arbeitsrechte
  • Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
Artikel
Verfasst durch Jean Christophe Schwaab, SGB-Zentralsekretär

Gesundheitsschutz, Familienleben – alles Basta. Erneut lanciert die FDP einen Angriff auf den Schutz der Arbeitnehmenden im Detailhandel. Neu sollen die Kantone bestimmen können, ob es im Verkauf noch ein Verbot von Nacht- und Sonntagsarbeit geben soll.

In seiner April-Sondersession hat die rechtsbürgerliche Mehrheit des Nationalrats überraschenderweise und gegen den Bundesrat eine Motion von Markus Hutter (FDP ZH) angenommen. Sie verlangt für den Detailhandel eine weit gehende Aushöhlung des Arbeitnehmer-Schutzes im Arbeitsgesetz. Das dort verankerte grundsätzliche Verbot von Sonntags- und Nachtarbeit soll fallen. Neu sollen die Kantone bestimmen, wann die Läden offen sind; und wenn die Läden offen sind, kann auch Personal angestellt werden – und damit basta!

Wieder ein kleiner Schritt, der…

Das für Nationalrat Hutter hinfällige grundsätzliche Beschäftigungsverbot von Personal während der Nacht und am Sonntag ist ein Pfeiler des Arbeitnehmerschutzes. Dieser Pfeiler schützt Gesundheit, das soziale und das Familienleben der Arbeitnehmenden. Es ist bekannt: Nachtarbeit und flexible Arbeitszeiten sind gesundheitsschädigend und wenig sozial verträglich. Es gibt ja keine Kinderhorte während der Nacht. Aber die Anhänger des totalen Konsums lassen nicht locker. Dass ununterbrochene Ladenöffnungszeiten auch in anderen Branchen (Logistik, Sicherheit, Reinigung) zu entsprechenden Anpassungen führen werden, ist ihnen schlicht egal. Umgekehrt heisst das aber auch: Wenn wir nicht entschieden bremsen können, müssen plötzlich alle Arbeitnehmenden höchst flexibel arbeiten.

…zum grossen Ziel führen soll

Genau das ist ja auch das Ziel. Aber aus Angst davor, vom Volk zurück gepfiffen zu werden, wird dieses Ziel in Salamitaktik, Scheibe für Scheibe, angesteuert. Jede Scheibe wird schmackhaft gemacht, weil ja nur eine kleine Zahl betroffen ist. Aber wer die Summe sieht, erfasst den Schaden: Zuerst Sonntagsarbeit in den Zentren des öffentlichen Verkehrs, dann Nacht- und Sonntagsarbeit von jugendlichen Arbeitnehmenden, dann die Möglichkeit der Kantone, jährlich 4 Sonntagsverkäufe zuzulassen, dann die beantragte Non-Stop Öffnung von Tankstellen-Shops (Parlamentarische Initiative Lüscher, zur Zeit in Vernehmlassung) – und nun eben diese Motion Hutter. Und weitere Scheiben sind angekündigt: Die FDP Zürich hat durchgesetzt, dass der Zürcher Regierungsrat beim Bund interveniert, damit die maximale Fläche jener Läden, denen erlaubt ist, irgendwann offen zu haben und irgendwas zu verkaufen, auf 200 m2 vergrössert werden kann.

Diese Offensive gegen das Arbeitsrecht und für den totalen Konsum scheint gegenwärtig das einzige „Gesellschaftsprojekt“ einer ob ihrer Misserfolge reichlich verwirrten FDP zu sein. Wie kann man nur Gesundheit und Sozialleben der im Verkauf Beschäftigten dem Konsumbedürfnis einer kleinen Schar von Nachtseeligen opfern und gleichzeitig ein gesellschaftliches Interesse vortäuschen? Unbegrenzte Ladenöffnungszeiten dienen denn auch nur den grossen Verkaufshäusern und bedrohen so die Arbeitsplätze in Dorf- und Quartierläden. Dabei gerät die FDP sogar in einen internen Widerspruch. Prominente FDP-Exekutivmitglieder wollen Alkoholverkauf an Sportfans verbieten, die Gesamtpartei will gleichzeitig Tankstellenshops, deren Geschäftsgang zu einem guten Teil auf Alkoholverkauf an Nachtschwärmer ruht, rund um die Uhr offen halten.

Zum Glück lässt sich das Volk nicht für dumm verkaufen. Es weiss, dass die Möglichkeit, grenzenlos zu konsumieren, die den Arbeitnehmenden zugemuteten Opfer an Gesundheit und sozialem Leben nicht aufwiegt. So verwundert denn auch nicht, dass das Volk, wenn es kann, in 90 % aller Fälle liberalisierte Ladenöffnungszeiten an der Urne bachab schickt. 

Zuständig beim SGB

Luca Cirigliano

Zentralsekretär

031 377 01 17

luca.cirigliano(at)sgb.ch
Luca Cirigliano
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