Der Bundesrat will das öffentliche Beschaffungswesen revidieren. Viel Problemgespür zeigt er dabei nicht. Sein Vorschlag, auf das Leistungsortsprinzip zu verzichten, würde zu massiv mehr unlauterem Wettbewerb und Dumping führen.
In der Totalrevision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) schlägt der Bundesrat einige quere Neuerungen vor. Die gefährlichste: er will das Leistungsortsprinzip durch das Herkunftsortsprinzip ersetzen.
Wer ortsübliche Löhne schützen will, setzt auf das Leistungsortsprinzip
Was bedeutet das? Bei diesen beiden Ortsprinzipien geht es darum, welche Arbeitsbedingungen ein Unternehmen einzuhalten hat, wenn es sich um einen öffentlichen Auftrag bewirbt. Beim Herkunftsortsprinzip gelten für den Offerierenden die Bedingungen an seinem Sitz- oder Niederlassungsort. Das Leistungsortsprinzip verlangt die Beachtung der Arbeitsbedingungen, die am Ort der Arbeitsausführung gelten. Beispiel: eine Firma aus dem Tessin, die in Zürich für den Bau einer grossen Halle offeriert, hat beim Leistungsortsprinzip die Löhne von Zürich zu respektieren, beim Herkunftsortsprinzip kann sie mit den Tessiner Löhnen offerieren. Beim Herkunftsortsprinzip sind also Anbieter aus Kantonen mit guten Arbeitsbedingungen im Vergleich zu Anbietern aus "Niedriglohn-Kantonen" schlechter gestellt. Um mithalten zu können, müssten sie eine Verschlechterung der eigenen Arbeitsbedingungen anstreben. Fazit: Das Herkunftsortsprinzip würde eine Spirale nach unten eröffnen.
Nicht mehr gleiches Recht für Gleiches
Das Leistungsortsprinzip ist zentral für alle, welche die orts- und branchenüblichen Löhne und Arbeitsbedingungen schützen wollen. Es ist denn auch ein Herzstück der flankierenden Massnahmen. Es soll verhindern, dass z.B. eine polnische Firma einen Auftrag in Basel mit polnischen Löhnen durchführen kann. Der bundesrätliche Vorschlag, neu auf das Herkunftsortsprinzip zu setzen, bricht also mit der Philosophie der flankierenden Massnahmen. In der Privatwirtschaft würde Schutz der ortsüblichen Arbeitsbedingungen gelten, in der öffentlichen nicht. Das ist unverständlich. Noch unverständlicher ist, dass der Bundesrat in der Botschaft an das Parlament auf dem Herkunftsortsprinzip beharrt. Denn viele Organisationen des Gewerbes, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie die Kantone haben in der Vernehmlassung dieses Auswechseln des Prinzips abgelehnt.
WAK-N am Zug
Nächste Instanz in der Revision des BöB ist die zuständige Nationalratskommission, die WAK-N. Sie wird das Dossier am 16. Mai beraten. SGB, Travail.Suisse und die ihnen angeschlossenen Verbände haben die Kommission aufgefordert, den bundesrätlichen Fehler zu korrigieren und wieder auf das Leistungsortsprinzip zu setzen. Alles andere wäre ein Signal zu neuem Dumping.
Weitere Punkte, die die Gewerkschaften korrigieren wollen:
- Die Wettbewerbskommission (WEKO) soll bei öffentlichen Beschaffungen kein Behördenbeschwerderecht bekommen. Die in der Revision vorgesehene Mitteilungspflicht an die WEKO ist deshalb zu streichen, entsprechend auch Art. 9 Abs. 2bis im Binnenmarktgesetz. Grund: Die WEKO hat in letzter Zeit zu oft kantonale Bestimmungen zum öffentlichen Beschaffungswesen hinsichtlich Einhaltung von GAV-Bestimmungen sowie zur Einschränkung von Subunternehmerketten kritisiert.
- Die Subunternehmerkette ist auf eine Ebene zu beschränken.
- Zur GAV-Konformität sollen endlich aussagekräftige Bescheinigungen eingeholt werden müssen.