Gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz

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Artikel
Verfasst durch Gabriela Medici, wissenschaftliche Mitarbeiterin SGB

Auch HIV-positive Arbeitnehmende haben Anspruch auf ein Arbeitsklima ohne Diskriminierungen – der SGB setzt sich dafür ein, dass ihre Rechte gewahrt werden.

In der Schweiz leben rund 25'000 Menschen mit HIV oder Aids. Betroffen sind vor allem Erwachsene im erwerbsfähigen Alter. Etwa 70% der Menschen mit HIV sind berufstätig, die meisten arbeiten Vollzeit. Dank den Fortschritten in der medizinischen Behandlung können HIV-positive Mitarbeitende in der Regel über Jahre und Jahrzehnte normal leben und arbeiten. Dennoch sind für viele Menschen mit HIV/Aids Ablehnung, Ausgrenzung sowie Datenschutzverletzungen und Diskriminierungen immer noch an der Tagesordnung. Deshalb setzt sich der SGB dafür ein, dass HIV-positive Arbeitnehmende ihre Rechte auch tatsächlich wahrnehmen können.

Übertragungsrisiko

Das tatsächliche Übertragungsrisiko von HIV im Berufsleben wird häufig überschätzt. In den meisten Berufen ist es gleich null. Sogar im Medizinalbereich liegt die Gefahr einer Ansteckung bei Stichverletzungen unter 0.3%. Richtigerweise gibt es deshalb in der Schweiz keine verbotenen Berufe für Menschen mit HIV. Arbeitgebende dürfen im Anstellungsverfahren keinen HIV-Test von den Bewerbenden verlangen und / oder nach ihrem HIV-Status fragen. Ein solcher Test ermöglicht keine Aussage über die momentane Arbeitsfähigkeit einer Bewerberin oder eines Bewerbers. Sollte die Frage dennoch gestellt werden, hat der Stellensuchende das Recht die Frage falsch zu beantworten.

Arbeitsalltag / Absenzen

Die HIV-Infektion hat in der Regel keinen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen, sie erkranken nicht öfter als andere Arbeitnehmende. Für den Erfolg der Therapie von HIV ist es entscheidend, dass Medikamente regelmässig und konsequent eingenommen werden. Es ist wichtig, dass Arbeitnehmende mit HIV Unterstützung erhalten, damit sie den Therapieplan so genau wie möglich befolgen können. Dies beinhaltet vor allem das Ermöglichen einer diskreten Einnahme der Medikamente oder von kleineren Mahlzeiten ausserhalb offizieller Essenspausen, wenn die Medikamente nicht auf nüchternen Magen eingenommen werden sollten. Änderungen des Arbeitsrhythmus müssen vorhersehbar sein, damit Betroffene allenfalls ihren Therapieplan anpassen können. Dies gilt auch in Bezug auf mögliche Überstunden.

Den Betroffenen wird empfohlen sich regelmässig (alle drei Monate) einer ärztlichen Kontrolle zu unterziehen um den Zustand des Immunsystems zu überprüfen. Sollten diese Arzttermine nur während den regulären Arbeitszeiten möglich sein, sollten diese ohne Lohnabzüge ermöglicht werden. Bezüglich weiterer Krankheitsabsenzen gelten für HIV-positive Arbeitnehmende die normalen Regelungen betreffend Lohnausfall. Es ist im konkreten Fall aber möglich und wünschbar, dass durch eine flexiblere Ausgestaltung der Arbeitszeit Absenzen verringert werden können.

Datenschutz

Die Frage nach HIV ist rechtswidrig. Genauso ist auch die Weitergabe des Wissens um eine HIV-Infektion an Drittpersonen ohne ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen persönlichkeitsverletzend und ein Verstoss gegen das Datenschutzgesetz. Das Wissen über die Krankheit darf unter keinen Umständen und an niemanden weitergegeben werden.

Taggeldversicherungen / Pensionskassen

Pensionskassen und Versicherungen dürfen für den überobligatorischen Bereich Gesundheitsfragen stellen, welche wahrheitsgemäss beantwortet werden müssen. Durch moderne Medikamente ist HIV zu einer meist behandelbaren, chronischen Krankheit geworden. Trotzdem behandeln Versicherungen in vielen Belangen HIV-positive Menschen wie Sterbenskranke. Betroffene können keine Zusatz-Krankenversicherung abschliessen. Zudem kommen Ausschlüsse und Probleme mit den betrieblichen Taggeldversicherungen häufig vor. Dies gefährdet die soziale Sicherheit HIV-positiver Menschen in unzulässiger Weise. Mitarbeitende mit HIV/Aids sollen nicht benachteiligt werden. Dies kann erreicht werden mit dem Abschluss einer kollektiven Taggeldversicherung, welche auf die Gesundheitsbefragung der Mitarbeitenden verzichtet. Ausserdem ist dies für den Betrieb auch deshalb besser, weil das Lohnfortzahlungsrisiko so kalkulierbar bleibt. Für Angestellte, die von der Taggeldversicherung ausgeschlossen wurden, bezahlt das Unternehmen nämlich selbst. 

Diskriminierung / Mobbing

Trotz Aufklärungskampagnen führen Unwissen über HIV und bewusste oder unbewusste Angst vor einer Ansteckung zu Gerüchten und Vorurteilen – diskriminierendes Verhalten und herabsetzende Handlungen sind nicht selten die Folge. Mobbing kann grosse Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein der betroffenen Person haben und zu psychischen und physischen Erkrankungen führen. Arbeitgebende sollten deshalb eine offene Kommunikation innerhalb des Betriebes fördern und Informationen anbieten, damit unbegründete Ängste abgebaut werden können.

Kündigungsschutz

HIV-positiven Mitarbeitenden darf nicht allein aufgrund ihrer Infektion gekündigt werden. Kündigungen aufgrund von persönlichen Eigenschaften sind rechtsmissbräuchlich (OR 336). In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmende eine Entschädigung von sechs Monatslöhnen verlangen. In der Zeitspanne in der ein Betroffener durch Krankheit ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist, darf ihm auch aus anderen Gründen nicht gekündigt werden. Eine solche Kündigung ist nichtig und das Arbeitsverhältnis besteht weiter, wie wenn die Kündigung nicht erfolgt wäre.

Hilfe für Betroffene / Informationen

Die Aids-Hilfe Schweiz (AHS) realisiert Präventionsprojekte zu HIV/Aids und engagiert sich für Menschen mit HIV/Aids, für ihre Bedürfnisse, Rechte und Gleichstellung in der Gesellschaft. Sie führt einen Rechtsberatungsdienst und Anlaufstellen, wo HIV-positive Menschen zu unterschiedlichen Aspekten eines Lebens mit der HIV-Infektion beraten, geschult und unterstützt werden. Sie hat auf der Homepage www.workpositive.ch eine kompetent betriebene Plattform für Arbeitnehmende und Arbeitgebende erstellt.

Politisches Parkett

Die Wirkung von Diskriminierungsschutz ist immer auch von der Sensibilisierung der Gesellschaft und dem politischen Willen zum Schutz von HIV-positiven Menschen geprägt. Der Diskriminierungsschutz im Bereich von HIV/Aids im Arbeitsverhältnis braucht aber auch rechtliche Instrumentarien. Die Schweiz als moderner Rechtsstaat muss den Menschen gleiche Ausgangschancen bieten und Diskriminierungen bekämpfen. Deshalb setzt sich der SGB für ein allgemeines Diskriminierungsverbot auf gesetzlicher Stufe ein. 

Die HIV/Aids-Epidemie stellt eine der gewaltigsten Herausforderungen für die Entwicklung und den sozialen Fortschritt der Welt dar. Deshalb ist es wichtig auch Anstrengungen auf internationaler Ebene mitzuverfolgen und -gestalten. Die ILO bereitet für die Konferenz im Juli 2010 Empfehlungen zum Umgang mit „Aids am Arbeitsplatz“ zuhanden ihrer Mitgliedstaaten vor. Auch hierzu wird der SGB aktiv Stellung nehmen.

Zuständig beim SGB

Luca Cirigliano

Zentralsekretär

031 377 01 17

luca.cirigliano(at)sgb.ch
Luca Cirigliano
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