GAV neu aus öffentlichem Interesse allgemeinverbindlich erklären

  • Flankierende Massnahmen und Personenfreizügigkeit
Artikel
Verfasst durch Ewald Ackermann

SGB-Delegierte fordern Verschärfung der Flankierenden

Der SGB steht weiterhin hinter den bilateralen Abkommen und damit auch der Personenfreizügigkeit. Bedingung dafür sind jedoch flankierende Massnahmen mit mehr Biss. In möglichst allen Branchen sollen Mindestlöhne vor Lohndumping schützen. Dazu sollen mehr GAV abgeschlossen werden und mehr GAV allgemein verbindlich erklärt werden. Zum andern ist der Vollzug der Flankierenden zu verschärfen. Dieses Programm haben die SGB-Delegierten am 3.6.2013 beschlossen.

„Die bevorstehenden Volksabstimmungen über die Masseneinwanderungsinitiative der SVP, die Ecopop-Initiative und vor allem die Abstimmung zu Kroatien sind aus heutiger Sicht alles andere als im Trockenen.“ So leitete SGB-Präsident Paul Rechsteiner den gewichtigsten Teil der Delegiertenversammlung vom 3.6.2013 ein. Um dann gleich die Richtung des Programms vorzugeben, mit welchem der SGB diese neuen Hürden nehmen will: „Wer auf die Sozialpartnerschaft und Gesamtarbeitsverträge setzt, der muss die Allgemeinverbindlichkeit stärken. Denn die Allgemeinverbindlichkeit sorgt dafür, dass sich nicht nur die anständigen Arbeitgeber, sondern auch die Lohndrücker an die Regeln halten müssen, kommen sie aus dem Ausland oder dem Inland. Das liegt im Interesse aller.“

GAV erleichtert allgemeinverbindlich erklären

Die einzelnen Forderungen zur Verschärfung der Flankierenden Massnahmen erläuterte SGB-Chefökonom Daniel Lampart. Das Gesetz für die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) stamme aus dem Jahre 1956 und atme auch diesen Geist. Die Hürden, die es aufstelle, um einen GAV für alle Arbeitgeber verbindlich zu erklären, seien viel zu hoch. Neu sollen deshalb GAV „aus öffentlichem Interesse“ allgemeinverbindlich erklärt werden können. Etwa bei Gefahr von Lohndruck, Lohnunterbietungen, Lohndiskriminierung der Frauen oder einem sozialpolitisch unerwünschten Lohnniveau. Zudem soll das Firmen-Quorum (heute müssen mind. 50 Prozent der Firmen dem GAV angeschlossen sein) bei der AVE gestrichen werden. Und zum dritten: Wer staatliche Subventionen erhält oder einen öffentlichen Auftrag ausführen will, soll künftig mit einer repräsentativen Gewerkschaft einen GAV aushandeln. Ansonsten muss ein Normalarbeitsvertrag (NAV) die Mindestlöhne sichern. Bei der Auftragsvergabe müssen GAV zu einem Zuschlagskriterium werden.

Das gleiche Programm soll für NAV zum Zug kommen. NAV dienen quasi als Ersatzvehikel in Branchen, in denen kein GAV möglich ist (weil beispielsweise die Sozialpartner fehlen). Die NAV-Mindestlöhne müssen so hoch sein, dass die üblichen Löhne in einer Branche abgesichert werden.

Mehr und schärfere Kontrollen

Ausserdem sollen zur Durchsetzung der Flankierenden die Kontrollen intensiviert werden. Besonders in Grenzregionen braucht es eine Kontrolloffensive, die der Bund finanziell unterstützen muss. Bei Verstössen müssen die Lohndrücker härter bestraft werden – u.a. über höhere Bussen. Die Richtlöhne, also jene Werte, ab denen Dumping festgestellt und dann interveniert wird, müssen anhand der branchenüblichen Löhne festgelegt werden. Sie dürfen nicht zu tief angesetzt sein. Stellen Kontrolleure Scheinselbständigkeit fest, sollen sie sofort einen Arbeitsunterbruch verlangen können. Aktive Gewerkschafter/innen, die bei der Kontrolle der Arbeitsbedingungen eine wichtige Rolle wahrnehmen, sollen zudem besser vor Repression und Kündigung geschützt werden.

Schweizer Löhne für alle, die in der Schweiz arbeiten

13 Delegierte äusserten sich zu diesen Vorschlägen am Mikrofon. Dabei zeigte sich, dass Lohndumping nicht nur ein Phänomen der baunahen Branchen ist. Vertreter des Musikerverbandes (SMV), des Berufsverbandes der Pflegefachfrauen und –männer (SBK) und der Gewerkschaft Syndicom wiesen darauf hin, dass Dumping auch bei freischaffenden Musiker/innen, in der Hauspflege und im Journalismus an der Tagesordnung seien. In diesen Branchen äussere sich Bedarf für „öffentliches Interesse“ einer AVE von GAV. Diverse Redner, mit der Stossrichtung der Vorschläge einverstanden, verlangten mehr Biss in der Feinmechanik des Vollzugs. Mehrere Delegierte, vor allem aus Genf und aus dem Tessin, warnten schliesslich vor Fremdenfeindlichkeit und Spaltung der Arbeitnehmenden. Wenn es den Gewerkschaften via effiziente Flankierende nicht gelänge, Lohndumping zu beseitigen, würden die ansässigen Arbeitnehmenden in den neuen Arbeitnehmenden nur die Dumpingkonkurrenz sehen – und die Personenfreizügigkeit in den kommenden Urnengängen ablehnen.

Dem vorgelegten Programm zur Anpassung der Flankierenden stimmten die rund 80 Delegierten beinahe geschlossen, bei bloss zwei Enthaltungen, zu. Damit gibt es beim SGB keine Kurskorrektur. Er wird weiterhin zu den bilateralen Abkommen stehen, weil diese insbesondere für die Exportwirtschaft sehr wichtig sind. Es gilt aber für den SGB nach wie vor der Grundsatz „Wer in der Schweiz arbeitet, muss einen Schweizer Lohn erhalten und zu Schweizer Arbeitsbedingungen beschäftigt werden.“ Deswegen sollen mehr Mindestlöhne verbindlich erklärt und die Flankierenden insgesamt verschärft werden.

Resolutionen

In einer einstimmig beschlossenen Resolution appellierten die Delegierten an den Bundesrat und die Verwaltung, Arbeitszeitkontrollen durchzusetzen und den Kreis jener nicht auszuweiten, die auf die Erfassung ihrer Arbeitszeit verzichten können. Ebenfalls einstimmig appellierten die Delegierten ans Parlament, auf einen Kahlschlag beim Bundespersonal und damit auf den Abbau von 2000 Stellen zu verzichten und in der laufenden Session nicht auf das Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspaket KAP einzutreten.

Beilagen
  • <media 1059>Flankierende Massnahmen zur Personenfreizügigkeit – Forderungen des SGB </media>
  • <media 1059>Analysepapier zu Blilaterale Verträge / Personenfreizügigkeit / Flankierende Massnahmen</media>

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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