Nach animierter Diskussion haben die Delegierten ein Positionspapier zur GAV-Politik verabschiedet. Unmittelbares Ziel ist, die GAV-Abdeckung, heute gut 50 %, rasch auf 60 % zu erhöhen. Dazu sollen neue GAV geschaffen und bestehende ausgeweitet werden, letzteres auch durch Allgemeinverbindlichkeit.
Das Positionspapier würdigt die Leistungsfähigkeit der Gesamtarbeitsverträge (GAV): Da, wo es GAV – oder öffentliche Personalgesetze, wie der VPOD ergänzte – gibt, sind die Verhältnisse in der Regel gerechter. Die GAV-Abdeckung konnte in den letzten Jahren denn auch gesteigert werden – auf gut 50 %. Das genügt jedoch nicht. Wichtigste Gründe für die im europäischen Vergleich tiefe Abdeckung: die einzigartig hohen Hürden für die Allgemeinverbindlich-Erklärung eines GAV (der dann jeweils für die ganze Branche gilt), und die Weigerung vieler Arbeitgeber, einen GAV überhaupt aushandeln zu wollen.
Die SGB-Gewerkschaften wollen in Sachen GAV Gas geben. Sie wollen die Abdeckung durch GAV rasch auf 60 % steigern. Dazu sollen
1. neue GAV durchgesetzt werden, etwa im Gartenbau, im Bereich Kleider und Schuhe, bei den Callcenter, bei KEP&Mail, bei diversen Medien usw.
2. soll die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von GAV an die heutigen Wirklichkeiten angepasst und somit erleichtert werden. So soll das sogenannte Arbeitgeber-Quorum (50 % der Unternehmen müssen an einem GAV beteiligt sein, damit dieser av erklärt werden kann) gestrichen werden. Kein anderes Land kennt eine solche Barriere.
3. sollen GAV bei „öffentlichem Interesse“ av erklärt werden können
4. sollen GAV bei Subventionsempfängern obligatorisch sein: Wer Bundessubventionen erhält, muss mit repräsentativen Gewerkschaften einen GAV aushandeln. Wenn es zu keinem Abschluss kommt, erlässt der Bundesrat einen Normalarbeitsvertrag. Für Bundes- und konzessionierte Betriebe gilt eine GAV-Verhandlungspflicht. Bei öffentlichen Beschaffungen sind GAV ein Zuschlagskriterium.
Die GAV – aber auch und vorab das Gesetz – sollen ausserdem Personalvertreter/innen und gewerkschaftliche Vertrauensleute besser schützen, insbesondere vor Entlassungen. Sie sollen verbindliche Massnahmen gegen jegliche Diskriminierung (Geschlecht, Herkunft, Sprache, Glauben, Lebensform, sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität) vorschreiben und allen wichtigen arbeitsplatzrelevanten Forderungen der Gewerkschaften verpflichtenden Ausdruck geben.
Schliesslich müssen die GAV in der täglichen Praxis auch durchgesetzt werden können. Heute fehlten auf gesetzlicher Ebene wichtige Instrumente, so verschiedene Votant/innen am Mikrophon, um gegen unseriöse Firmen vorgehen zu können. So sollen bei hohem Verdacht auf Scheinselbständigkeit, bei fehlender Kautionsleistung oder offensichtlichen Verstössen gegen Mindestarbeitsbedingungen die Kantone Arbeitsunterbrüche verfügen können. Eingefügt wurde dem Papier zudem, wie die Gewerkschaften auch künftig „mit wirksamen Mindestlöhnen Tieflöhne bekämpfen“ wollen.