Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) will das Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz (SchKG) revidieren. Die Vorschläge zielen insbesondere auf das Sanierungsverfahren ab. Die Revision betrifft jedoch auch das Arbeitsvertragsrecht.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) ist befremdet, dass in der derzeitigen tiefgreifenden wirtschaftlichen Rezession ein Revisionsvorhaben an die Hand genommen wird, das die Arbeitnehmerinteressen massiv missachtet. Bereits die geltenden Vorschriften schützen die Arbeitnehmenden nur ungenügend, falls ihr Arbeitgeber insolvent wird. So fehlt etwa die Sozialplanpflicht bei Massenentlassungen. Anders als die anderen Gläubiger sind die Arbeitnehmenden von Krise und Insolvenz ihres Arbeitgebers gleich doppelt betroffen: Zum einen ist ihnen als Gläubiger ihr rückständiger und zukünftiger Lohn gefährdet. Zum anderen droht der Verlust ihrer Arbeitsplätze. Dabei steht das wirtschaftliche Auskommen auf dem Spiel. Letzterem Aspekt wurde bei der Ausarbeitung der Vorlage viel zu wenig Beachtung geschenkt.
Ansprüche einfach ausradiert
Der SGB lehnt die Vorlage ab. Denn die Vorschläge zielen auf die Schwächung der Arbeitnehmerpositionen ab. Laut Vorentwurf soll der automatische Übergang von Arbeitsverträgen bei Betriebsübernahme während der Nachlassstundung, im Rahmen eines Konkurses oder eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung ausgeschlossen werden. Wer eine konkursite Firma erwirbt, müsste somit die verbleibenden Mitarbeitenden nicht mehr übernehmen. Er könnte auch die Arbeitsbedingungen unverzüglich ändern. Ebenso soll die solidarische Haftung des bisherigen Arbeitgebers und des Erwerbers für die Forderungen der Arbeitnehmenden, die vor dem Übergang fällig geworden sind, wegfallen. Der Erwerber müsste einzig für die Forderungen der übernommenen Arbeitnehmenden haften. Zudem sollen bei Sanierungen die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmenden eingeschränkt werden. Fazit: Diese Änderungen ermöglichten dem Neu-Erwerber eine wahre Ausradierung der erworbenen Ansprüche der Arbeitnehmenden.
Rein ideologische Absicht
Wie aber kommt das EJPD auf solche Vorschläge? Es „argumentiert“ damit, dass der automatische Übergang der Arbeitsverhältnisse Sanierungen behindere. Nur: die Behauptung, dass die Anwendung der bisherigen Bestimmungen (Art. 333 OR) Sanierungen erschwere oder gar verunmögliche, ist nicht einmal ansatzweise empirisch belegt. Hingegen ist das Ziel klar: Die Freiheit der Unternehmen soll stärker gewichtet werden. Sanierungen, die nur möglich sind, wenn vergangene Arbeitnehmerforderungen nicht bezahlt werden müssen, sind aber auch volkswirtschaftlich sehr problematisch. Denn sie belasten mittels Insolvenzentschädigung übermässig die Arbeitslosenversicherung und führen häufig zu erneuten Sanierungsfällen. Es ist stossend, wenn der Gesetzgeber solche wackeligen Sanierungen auch noch begünstigt.
Im Übrigen bietet das flexible schweizerische Arbeitsvertragsrecht genügend Möglichkeiten für Anpassungen der Arbeitsverhältnisse beim Wechsel des Arbeitgebers. Die Praxis zeigt zudem, dass bei Betriebsübergängen Vereinbarungen zwischen altem und neuem Arbeitgeber sowie den Sozialpartnern durchaus üblich sind. Die Förderung von sozialpartnerschaftlichen Vereinbarungen ist denn auch der einzige konstruktive Lösungsansatz, um Sanierungen zu begünstigen.