Endlich gewerkschaftsfeindliche Kündigungen stoppen

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Verfasst durch Ewald Ackermann

Langer Protestzug in Genf

An die 2500 Menschen haben am Samstag 1. Juni auf Einladung von CGAS, SGB und VPOD in Genf für einen wirksamen Kündigungsschutz von Arbeitnehmer-Vertreter/innen, für die Garantie des Streikrechts, den Respekt vor Gesamtarbeitsverträgen, gerechte Mindestlöhne und mehr Kontrollen der Unternehmen demonstriert.

Am Anfang waren es zwei separate Platzkundgebungen, deren Teilnehmende sich dann zu einem einheitlichen Demozug trafen. Auf der Place Neuve demonstrierten Gewerkschafter/innen und Linke auf Einladung der CGAS (Communauté genevoise d’action syndicale = Genfer Gewerkschaftsvereinigung, die auch Nicht-SGB-Verbände umfasst) für einen fairen Mindestlohn und eine bessere Kontrolle der Unternehmen. Auf der Place du Molard riefen zu gleicher Zeit SGB und VPOD zu einer Solidaritätskundgebung für die Providence-Entlassenen auf. Die Demozüge beider Kundgebungen fanden kurz vor der Mont-Blanc-Brücke unter einem zunehmend freundlich werdenden Himmel zusammen und zogen farbenfroh und fahnenbewehrt, in kämpferischer, aber durchaus aufgelockerter Stimmung durch die Stadt. Hinauf ging‘s vom See zur Place des Nations, dem symbolträchtigen Platz vor den Gebäuden der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO). Bei dieser UNO-Organisation haben denn auch SGB und VPOD die Schweiz eingeklagt, weil diese trotz Unterzeichnung eines entsprechenden Abkommens Gewerkschafter/innen nicht ausreichend vor ungerechtfertigter Kündigung schützt und ebenso wenig das Streikrecht garantiert. Noch vor dem Reigen der Reden verabschiedeten die auf der Place des Nations Versammelten denn eine Resolution zuhanden des SGB, in der sie diesem eine Volksinitiative für besseren Kündigungsschutz empfahlen.

Der Fall Providence

„Eine Personalvertreterin muss die Interessen ihrer Kolleg/innen verteidigen können, ohne dabei ständig die Kündigung befürchten zu müssen“, rief Sabine Furrer bei der Abschlusskundgebung auf der Place des Nations den Demonstrierenden zu. Sie wusste, wovon sie sprach. Denn sie gehört zu den 22 entlassenen Streikenden des Neuenburger Spitals Providence. Mit dem Streik hatten sich diese gegen die Kündigung ihres GAV und gegen die Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen gewehrt. Ein privater Käufer des Spitals, die Genolier AG, hatte dies gefordert. Dieses brutale Vorgehen à la friss oder stirb verletzt die von Bundesverfassung und Abkommen der IAO garantierten Gewerkschaftsrechte. Es hebelt gleichzeitig das Streikrecht aus und ersetzt faire Sozialpartnerschaft durch ein Diktat. Es stellt den vorläufigen traurigen Höhepunkt in der ganzen langen Reihe von gewerkschaftsfeindlichen Kündigungen dar. VPOD-Generalsekretär Stefan Giger brandmarkte denn auch Genolier-Verwaltungsratspräsident Raymond Loretan: „Als Präsident der SRG spielt Herr Loretan die Rolle des seriösen Staatsmannes, bei Genolier deckt er rüde Attacken gegen den GAV. Kündigen muss man nicht dem streikenden Spitalpersonal, kündigen muss man Herrn Loretan, der die Verfassung missachtet und sich um die von der IAO garantierten Rechte foutiert.“ Und an die Adresse der Neuenburger Politik gerichtet: „Wenn das Spital Providence weiterhin die grundlegenden Gewerkschaftsrechte missachtet, dann muss der Staat Neuenburg es von der Spitalliste streichen.“

Bundesrat soll OR-Revision wieder aufnehmen

Vania Alleva, SGB-Vize- und Unia-Co-Präsidentin, verlangte auf der Abschlusskundgebung mehr Respekt für die Rechte der Arbeitnehmenden. Nach Tesa, Manor und Chicorée hätten sich die Fälle von gewerkschaftsfeindlichen Kündigungen gehäuft. Es sei jetzt höchste Zeit, „dass die gewerkschaftlichen Grundrechte wie der Schutz vor willkürlicher Entlassung, die Wiedereinstellung nach missbräuchlicher Entlassung und das Recht auf Streik voll geachtet werden.“ Den Bundesrat forderte sie auf, „dafür zu sorgen, dass die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) gegen gewerkschaftsfeindliche Kündigungen einzuhalten sind. Der Bundesrat muss zudem die abgebrochene Revision des Obligationenrechts wieder aufnehmen, um den Schutz vor gewerkschaftsfeindlichen Entlassungen zu verbessern.“ Im gleichen Sinn appellierte Alleva an die Arbeitgeber, ihren fundamentalistischen Widerstand gegen jeglichen Fortschritt in dieser Frage endlich aufzugeben.

Fazit: die Gewerkschaften haben Genf an diesem Nachmittag nicht lahmgelegt, sie haben aber ein weiteres starkes und farbiges Zeichen gesetzt, dass sie die KollegInnen an der Front nicht vergessen, die oft dafür büssen müssen, wenn sie Fortschritt durchsetzen oder Rückschritte verhindern wollen. Klar ist: eine Schweiz, die Demokratie nicht einfach aus der Arbeitswelt verbannen will, muss sich in dieser Frage endlich bewegen.

Zuständig beim SGB

Luca Cirigliano

Zentralsekretär

031 377 01 17

luca.cirigliano(at)sgb.ch
Luca Cirigliano
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