Fälle missbräuchlicher Entlassung von Mitgliedern einer Betriebs- oder Personalkommission (BK oder PK) sind in der Waadt gleich doppelt vorgekommen: bei der Tesa (Elektroindustrie) und beim Grossverleger Edipresse. Bei Edipresse wurde einem BK-Mitglied aus «wirtschaftlichen Gründen» gekündigt, unter Missachtung des geltenden GAV. Der Fall ähnelt demjenigen von PK-Präsident Daniel Suter beim «Tages-Anzeiger» (dessen Besitzer Tamedia soeben den Schweizer Verlagsbereich der Edipresse erworben hat), der 2009 vor der Eröffnung von Verhandlungen über den Sozialplan entlassen worden ist (dieser Fall ist vor Bundesgericht hängig). Bei der Tesa sind zwei BK-Mitglieder nach harten Verhandlungen entlassen worden, in denen sich die BK erfolgreich gegen eine Erhöhung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich gewehrt hatte. Der Arbeitgeber berief sich auf einen hanebüchenen Vorwand, um die fristlose Entlassung zu rechtfertigen: Die beiden hätten eine Petition gestartet. Das ist nicht nur falsch, sondern würde auch nie eine solche «Vergeltung» zulassen. Ein Versöhnungsversuch scheint für’s Erste gescheitert.
Auch im Tessin zeichnet sich ein ähnlicher Fall ab: ein Industriebetrieb will einen BK-Präsidenten entlassen – und teilte ihm das während den jährlichen Lohnverhandlungen mit.
Streikende verleumden
Beim Genfer Universitätsspital gab es in letzter Zeit mehrere Streiks. So protestierten etwa die Angestellten des Patiententransports, der Hilfspflege, des Labors und der Reinigung gegen verschlechterte Arbeitsbedingungen aufgrund von Sparbudgets und eingefrorenen Löhnen. Die Spitaldirektion griff zum Zweihänder. In der Presse berichtete sie, dass der Streik Leben gefährde. Gleichzeitig erhob sie Strafklage und wollte das so eingeschüchterte und diskreditierte Personal zu einem „Minimaldienst“ verpflichten, den es in keinem Gesetz gibt. Diese falschen Anschuldigungen sind nichts anderes als eine Attacke auf das Streikrecht. Auch während ihres Streiks haben die Spital-Angestellten immer darauf geachtet, dass die Patienten dadurch nicht zu Schaden kommen.
Rache nach erfolgreichem Streik
Das Personal der Barbey SA (Fleischverarbeitung) in der Waadt hat dank eines erfolgreichen Streiks im Mai 2010 einige Verbesserungen der Arbeitsbedingungen erreicht. Alle Angestellten, die vor Gericht ihre Rechte geltend machten, bekamen zudem Recht. Nun hat das Unternehmen wie ein schlechter Verlierer und auf missbräuchliche Art eine Schadenersatzklage von 3,5 Mio Franken gegen Unia erhoben. Gleichzeitig hat es erwirkt, dass ein Gewerkschaftssekretär wegen Verleumdung verurteilt wurde. Dessen Aussagen ruhten jedoch auf Zeugnissen der betroffenen Arbeitnehmer/innen… Der Fall zeigt, wie rasch gewisse Arbeitgeber zur Kriminalisierungsmethode greifen, um sich Bewegungsfreiheit zu verschaffen und die Arbeitnehmenden unterwürfig zu halten.
Hoffnungsschimmer
Im aktuell sehr düsteren Gemälde zur Gewerkschaftsfreiheit gibt es nur einen Farbtupfer. Das Polizeigericht im freiburgischen Broyebezirk hat alle Anschuldigungen gegen die Gewerkschaft Unia und gegen die Arbeitnehmenden selbst aufgehoben. Diese hatten öffentlich und nach Treu und Glauben das klar missbräuchliche Handeln des Personalverleihers „OK Personnel SA“ angeprangert. Man habe das Recht, von einem Arbeitgeber, der sich missbräuchlich verhalte, auch zu sagen, dass er sich missbräuchlich verhalte. Ein – allerdings isolierter – Sieg für die Meinungsäusserungs- und die Gewerkschaftsfreiheit.