Ob Bäckerin, Pflegerin, Kita-Betreuer, Feinmechanikerin, Maurer oder ICT-Fachfrau: Ohne die zahlreichen Berufsleute geht in der Schweiz nichts. Sie verrichten unerlässliche Arbeit, sind dank der Lehre gut ausgebildet und bringen oft einen breiten Erfahrungsschatz mit. Trotzdem verdienen viele von ihnen schlecht. Jede und jeder dritte Beschäftigte mit Lehre arbeitet für einen Lohn unter 5’000 Franken (in einer Vollzeitstelle). Gelernte Frauen sind noch stärker betroffen: Fast jede zweite arbeitet für einen Tieflohn. Die Lohnprobleme beschränken sich längst nicht nur auf junge Lehrabgängerinnen. Für viele Gelernte steigen die Löhne nämlich selbst mit jahrelanger Erfahrung kaum. So verdient noch kurz vor der Pensionierung ein Viertel aller Gelernten einen Lohn unter 5’000 Franken.
Diese Lohnrealität straft all die Sonntagsreden über die Schweizer Berufsbildung Lügen. Die duale Berufsbildung bringt zwar fähige Arbeitskräfte hervor. Das Versprechen dank der Lehre, ein sicheres Einkommen zu erzielen, klingt für die Berufsleute mit tiefem Lohn aber nur hohl. Mit 5’000 Franken kann man in der Schweiz bloss mit grossen Einschränkungen leben. Die Berufsleute haben für den Beitrag, den sie tagtäglich leisten, mehr Wertschätzung verdient.
Die tiefen Löhne schaden auch der Berufsbildung selbst. Viele Jugendliche sind nicht mehr bereit, ein Leben lang schlecht zu verdienen. Sie treten entweder erst keine Lehre an oder verlassen ihren Beruf, sobald sie ihre Lehre abgeschlossen haben. Es ist deshalb kein Wunder, fehlen vielerorts die benötigten Fachkräfte. Statt nur darüber zu klagen, müssten die Arbeitgeber aber endlich handeln – und anständige Löhne zahlen. Löhne unter 5’000 Franken für Gelernte müssen der Vergangenheit angehören. Auch muss sich die Erfahrung von Beschäftigten mit Lehre finanziell besser in den Löhnen niederschlagen.
Die vorliegende Untersuchung bildet den zweiten Teil unserer Analyse der Löhne von Gelernten in der Schweiz.