Doch noch Gerechtigkeit für Asbestopfer?

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Verfasst durch Luca Cirigliano

EGMR will korrektes schweizerisches Verjährungsrecht

Am 11. März verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschrechte (EGMR) die Schweiz. Die Verjährungsfristen nach Schweizer Recht seien willkürlich und unfair. Die Ansprüche von Asbestopfern dürften nach 10 Jahren nicht verjähren.

Der EGMR hat in seinem Urteil vom 11.3.2014 klar signalisiert, dass das schweizerische Verjährungsrecht einen systemischen Fehler aufweist. Die Verjährungsfrist von 10 Jahren entspreche modernen gesundheitlichen Risiken nicht. Das Urteil des EGMR bezieht sich auf die Klage der Witwe eines Asbestopfers. 2005 war ihr Gatte an Asbestkrebs verstorben. Grund: jahrzehntelang zuvor war er bei seiner Berufsarbeit mit Asbest in Kontakt gekommen. Die Witwe forderte vom früheren Arbeitgeber sowie der Suva Schadenersatz und Genugtuung, wurde jedoch von den Gerichten, auch vom Bundesgericht, abgewiesen. Grund: eben diese Verjährung von 10 Jahren…  

Die Witwe zog den Fall an den EGMR weiter und da erfolgte nun die Korrektur. Der EGMR kritisiert auch die vorliegenden Revisionsvorschläge hinsichtlich Verjährung als ungenügend. Er hat angekündigt, dass er, sollte die Schweiz in der Zwischenzeit das Verjährungsrecht nicht anpassen, das rasche Verfahren der „Pilot-Urteile“ anwenden werde. Darin werden Hunderte, ja Tausende von gleichartigen Fällen in einem einzigen, summarischen Urteil behandelt, und es werden auch Genugtuungs-Gelder gesprochen. Die Wartefristen für neue Fälle werden praktisch auf unter ein Jahr gesenkt.

Erhält der EGMR von der  Schweiz nun das Signal, dass ernsthafte Bemühungen im Gange sind, den „systemischen Fehler“ zu beseitigen, dann friert er die hängigen Fälle ein, bis gesetzgeberische Resultate da sind.

Das nächste Kapitel in dieser Auseinandersetzung obliegt nun der Rechtskommission des Nationalrates. Sie hat die Reform des Verjährungsrechts auf Mai 2014 traktandiert. Das ist nicht nur für die Opfer der Asbest-Tragödien der Vergangenheit wichtig, sondern allgemein auch für den Umgang mit noch unerforschten Technologien mit unabschätzbaren Risiken: Das Verjährungsrecht soll bei solchen sogenannten „Emerging Risk“ allgemein angepasst werden. Das hat der Schweizer Gesetzgeber bis heute verpasst.

Für den SGB ist klar, welche Verjährungsfristen die Schweizer Gesetzgebung vorsehen muss, damit sie EMRK-konform wird: Eine solche von 50 Jahren für Personenschäden und ein Ruhen der Fristen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses. Für Opfer der Asbesttragödie ist zudem ein Entschädigungsfonds zu schaffen.

Zuständig beim SGB

Luca Cirigliano

Zentralsekretär

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Luca Cirigliano
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