Diesmal klagt der VPOD bei der ILO gegen die Schweiz

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Verfasst durch Ewald Ackermann, SGB-Information

Schweizer Gesetzgebung verletzt Gewerkschaftsrechte

Das Streikrecht ist in der Schweiz durch die Bundesverfassung garantiert. Dennoch ermöglicht das Schweizer Recht, Streikende zu entlassen. So etwa kürzlich beim Fall des streikenden Personals im Neuenburger Spital La Providence. Nun hat der VPOD gegen dieses verfassungswidrige Verhalten bei der ILO geklagt.

 Artikel 28 der Bundesverfassung verankert das Streikrecht in der Schweiz. Die Schweiz hat zudem zwei Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO bzw. International Labor Organization - ILO) über die Gewerkschaftsrechte ratifiziert und sich verpflichtet, diese Abkommen einzuhalten. Es sind die ILO-Konventionen Nr. 87 über Gewerkschaftsrechte und sozialen Schutz (1975 durch die Schweiz ratifiziert) und die Konvention Nr. 98 über die Organisationsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen (1999 ratifiziert).

VPOD-Klage: Streikrecht verletzt

Bei der ILO-Klage des VPOD geht es um die Verletzung des Streikrechtes im Fall des Neuenburger Spital La Providence. Dort hat sich in den letzten Monaten ein Fall abgespielt, in welchem in einem bisher nicht gekanntem Ausmass von Brutalität das Streikrecht unterminiert wurde.

Zur Geschichte: Die Privatklinikgruppe Genolier will das Spital La Providence kaufen, jedoch unter der Bedingung, den geltenden GAV zu eliminieren. Dann will Genolier die Arbeitszeit verlängern, die Zulagen kürzen, den Mutterschaftsurlaub auf das gesetzliche Minimum von 14 Wochen reduzieren und das Lohnsystem ausser Kraft setzen. La Providence untersteht seit vielen Jahren dem Gesamtarbeitsvertrag des Neuenburger Gesundheitswesens, der für mehrere Tausend Beschäftigte gilt. Ende 2012 streiken die Providence-Angestellten für den Erhalt des GAV. Der Arbeitgeber droht den Streikenden mit der fristlosen Entlassung. Er spricht diese dann im Februar 2013 auch tatsächlich für alle 22 weiter Streikenden aus. Das angerufene Gericht weigert sich mit Hinweis auf das Gesetz, diese Entlassungen zu unterbinden. Für den VPOD – und auch den SGB – ist klar: Damit wird das Streikrecht ausgehebelt. Deshalb hat der VPOD als direkt betroffene Gewerkschaften am 10.4.2013 bei der ILO in Genf Klage eingereicht. „Wer streikt ist entlassen – und kann daher gar nicht mehr streiken, weil kein Arbeitsvertrag mehr besteht“: so begründet VPOD-Generalsekretär Stefan Giger die Klage und zeigt damit die Absurdität der schweizerischen Gesetzgebung auf.

SGB-Klage: mangelnder Kündigungsschutz

Bereits 2003 hatte der SGB die Schweiz ein erstes Mal bei der ILO wegen Verletzung der Konvention Nr. 98 eingeklagt. Der nur marginale Schutz gewerkschaftlicher Vertrauensleute und Betriebskommissionsmitgliedern vor ungerechtfertigter Kündigung widerspräche dem Abkommen. Der zuständige Ausschuss für Gewerkschaftsfreiheit bat im Jahr darauf die Schweiz, ihre Gesetzgebung an das Internationale Arbeitsrecht anzupassen. Die bürgerlich dominierte Politik in der Schweiz weigerte sich, effektive Sanktionen gegen gewerkschaftsfeindliche Kündigungen einzuführen. Sogar die magersten Ansätze dazu versandeten. Deshalb hat der SGB die seit 2009 suspendierte Klage im Herbst 2012 reaktiviert.

Solidaritätsdemo am 1. Juni

Mit der VPOD-Klage steht die Schweiz, die Gastgeberin der ILO, erneut auf der internationalen Anklagebank. VPOD und SGB fechten das brutale Abwürgen des Streiks der Providence-Angestellten jedoch nicht nur mit juristischen Mitteln an. Am Samstag 1.6. wird in Genf eine Solidaritätsdemo gegen missbräuchliche Kündigungen stattfinden. Der SGB wird seine Mitglieder dazu aufrufen, an dieser Demo teilzunehmen (weitere Info folgt). Denn es geht einerseits um die Garantie des Streikrechts, andererseits aber auch um den Respekt der Gesamtarbeitsverträge. Also um die Säulen, auf denen die Gewerkschaftsfreiheit ruht.

Zuständig beim SGB

Luca Cirigliano

Zentralsekretär

031 377 01 17

luca.cirigliano(at)sgb.ch
Luca Cirigliano
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