Viele haben es sich als Wundermittel vorgestellt: man arbeitet zuhause, nebenbei kocht und putzt man und spielt mit den Kindern, der Arbeitsweg entfällt und aus dem Pyjama muss man auch nicht raus, ausser man hat grad eine lästige Videokonferenz. Auch wenn viele Betroffene in der Corona-Krise das Homeoffice vorübergehend gut angenommen und viel Improvisationsgeist gezeigt haben – ganz so einfach ist es nicht. Als Dauerzustand braucht es klare Regeln um arbeitsrechtliches Wildwest zu verhindern und den Schutz der Arbeitnehmenden zu garantieren.
Nicht erst seit der medizinisch verordneten Verschanzung weiter Teile der Arbeitnehmenden im Homeoffice sind dessen Risiken und Nebenwirkungen bekannt: fehlender Platz, schreiende Kinder, unbequemes Mobiliar und Computer, zu langsames Internet, Vermischung von Arbeit und Freizeit oder soziale Vereinsamung kann für die Betroffenen eine Belastung sein, insbesondere wenn es zum Dauerzustand wird.
Immer mehr Studien sowie Gerichtsurteile offenbaren die Schattenseiten des Homeoffices, so wie es im Moment gelebt wird. Arbeitgeber nehmen heute häufig ihre gesetzlichen Pflichten im Homeoffice nicht war. Das Arbeitsgesetz (ArG) gilt auch im Homeoffice vollumfänglich – ob angeordnet oder auf Wunsch des Arbeitnehmers. Das heisst: der Arbeitgeber ist von Gesetzes wegen verpflichtet, für eine ergonomische Ausrüstung und Einrichtung (Möbel, Bildschirme, Tastatur, aber auch Licht etc.) sowie für die Einhaltung des Schutzes gegen Burnout und Überarbeitung (Pausen, Recht auf Unerreichbarkeit) zu sorgen. Weiter muss der Arbeitgeber den Datenschutz des Arbeitnehmers einhalten und Überwachung vermeiden.
Homeoffice darf keine Sparübung sein
Im Unterschied zum Kostenersatz für Arbeitsgeräte und Material ist der sogenannte Auslagenersatz (auch Spesenersatz genannt) nach Art. 327a OR zwingend vom Arbeitgeber geschuldet und kann nicht vertraglich wegbedungen werden. Das heisst, Arbeitnehmende haben Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber ihnen alle durch die Ausführung der Arbeit notwendig entstandenen Auslagen ersetzt. Einzige Bedingung: Die Kosten müssen auch tatsächlich für die berufliche Tätigkeit notwendig sein. Dazu zählen Strom, Internet, Papier, Reparaturen, etc. Ohne strikte Kostenbeteiligung könnte der Arbeitgeber Miete, Mobiliar und Infrastruktur auf dem Buckel der Angestellten einsparen.
Ohne GAV kein wirksamer Schutz vor Missbrauch
Die Regeln sind sehr klar: das Arbeitsgesetz, das OR und das Datenschutzgesetz finden alle Anwendung auf das Homeoffice. Die Gerichte haben dazu eine Praxis entwickelt. Diese Rechtsgrundlagen geben dem Arbeitnehmenden eigentlich einen guten Schutz:
- Der Arbeitgeber muss einzelfallgerecht für ein ergonomisches Home Office sorgen (Stuhl, Tisch, Bildschirme, etc.) ; er ist dabei den Arbeitsinspektoraten Rechenschaft schuldig
- Spesen und die Kosten für Geräte müssen vom Arbeitgeber getragen werden, je nachdem sogar die Miete
- Der Arbeitgeber muss Pausen und Nacht- sowie Sonntagsruhe im Homeoffice respektieren, es gibt ein Recht auf und den Zwang zur Nichterreichbarkeit (Ausschalten von Server, Deaktivierung der Geräte zu gewissen Zeiten etc.)
Leider bleiben diese Regeln und die Rechtsprechung der Gerichte häufig toter Buchstabe. Denn Arbeitnehmende, die sich einzeln wehren, riskieren wegen dem notorisch ungenügendem Kündigungsschutz in der Schweiz schlicht den Rausschmiss. Und die Arbeitsinspektorate sind häufig personell und finanziell unterdotiert und kümmern sich nicht um das Homeoffice.
Umso wichtiger ist, dass es eine kollektive Logik gibt und das Homeoffice aus dem Wilden Westen in geordnete, geregelte Bahnen überführt wird. Dafür dürfen aber nicht die einzelnen Arbeitnehmenden verantwortlich gemacht werden, die sich wegen dem fehlenden Kündigungsschutz nicht wehren können, ohne Repressalien fürchten zu müssen. Vielmehr kommt hier die Rolle der Gewerkschaften als kollektive Fürsprecherinnen der Arbeitnehmenden-Interessen zum Tragen: Mittels Gesamtarbeitsverträgen (GAV) muss sichergestellt werden, dass alle gesetzlichen Bestimmungen im Homeoffice auch wirklich eingehalten werden. dazu gehören:
- Ergonomische Einrichtung des Homeoffices auf Kosten und Verantwortung des Arbeitgebers
- Finanzielle Entschädigung für anfallende Spesen und Kosten, inkl. allfällige Mietkosten
- Recht auf Abschalten, Einhaltung der Ruhe- und Pausenzeiten
- Datenschutz, keine Überwachung des Online-Verhaltens oder der Arbeitsmuster im Homeoffice
- Nur freiwilliges Homeoffice, Recht auf mindestens einen Tag im Büro gegen soziale Vereinsamung
- Anpassung von Zielvorgaben bei gleichzeitiger Betreuung von Kindern oder Angehörigen
- Definition von Gesundheitsmassnahmen und Kontrollen im Home Office durch GAV nach Beizug von SpezialistInnen des Gesundheitsschutzes (ASA-Pool-SpezialistInnen)
Sollten sich GAV in diesem Bereich nicht durchsetzen ist die die Frage der Arbeitsinspektion im Homeoffice zu lösen sowie eventuell klare Spesenregelungen und spezifische Datenschutzregeln auf Verordnungs- oder Gesetzesebene zu verlangen.