Bundesgericht korrigiert

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  • Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
Artikel
Verfasst durch Jean Christophe Schwaab, SGB-Zentralsekretär

Das Bundesgericht (BG) hat einen Entscheid des seco bestätigt, indem es Nachtarbeit in Tankstellenshops für den Detailhandelsbereich, speziell für Nahrungsmittel, untersagt. Das Verbot gilt auch dann, wenn Personal für das Tanken und eine kleine Verpflegung anwesend ist.

Der Entscheid des BG (2C 248/2009, zur Publikation vorgesehen)  erinnert an die Grundsätze, die ein Abweichen vom Verbot der Nachtarbeit ermöglichen: Ökonomisch müssen äusserst gewichtige Gründe vorliegen. Ein vage definiertes „Konsumentenbedürfnis“ oder ein „Marktgebot“ oder das Vorhandensein von mit anderer Arbeit betrautem Personal (z.B. Tankstelle bedienen) fallen nicht darunter. Zudem erinnert das BG daran, dass Nachtarbeit der Gesundheit sowie dem familiären und sozialen Leben der betroffenen Arbeitnehmenden schadet. Diese sozialen Werte würden höher wiegen als das individuelle Verlangen, möglichst immer möglichst alles zu konsumieren – und dürften deshalb auch nicht diesem Interesse geopfert werden. Nur sehr restriktiv seien daher Ausnahmen von Nachtarbeitsverbot zuzulassen. Schliesslich verwies das BG darauf, dass die üblichen Öffnungszeiten den Haushalten eine genügende Versorgung erlaubten. 

Vorstoss Lüscher: Freiheit für Tankstellenshops 

Der BG-Entscheid ist erfreulich. Dennoch ist der Kampf gegen ausufernde Ladenöffnungszeiten alles andere als beendet. Im eidgenössischen Parlament hat der Genfer Liberalfreisinnige Christian Lüscher, animiert von der Zürcher „IG Freiheit“, eine parlamentarische Initiative eingereicht, die nichts weniger will als die Öffnungszeiten von Tankstellenshops komplett zu liberalisieren. Die Kommission wird den Vorstoss Ende August behandeln. Zum zweiten Mal wird so versucht, dem ganzen Land die Sichtweise einer Minderheit von Zürcher Konsumenten aufzudrängen. Die umstrittenen Tankstellen befinden sich alle im Kanton Zürich – in keinem anderen Kanton ist bisher ein identischer Anspruch angemeldet worden. Diese Konstellation hat bereits bei der Sonntagsarbeit in Verkaufsläden von grösseren Bahnhöfen gespielt. Auch da hatte das BG zuvor klar gestellt, dass im Zürcher Zentralbahnhof sonntags nicht alles verkauft werden dürfe.  

Erneut ein Schnitt an der Salami

Die Lüschersche Tankstellenoffensive folgt der in diesem Thema seit Jahren praktizierten Salamitaktik. Scheibchen für Scheibchen soll eine Bevölkerung, die an den Urnen mehrmals die totale Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten abgelehnt hat, genau diese nun schlucken. Zu dieser Taktik gehört, dass die Kantone ihren Geschäften vier zusätzliche Sonntagsverkäufe pro Jahr erlauben können. Viele Kantone haben aber zum Glück dieses Geschenk nicht angenommen.

Als erste Gesellschaft hat BP (British Petroleum), die im Kanton Zürich betroffene Tankstellen führt, den BG-Entscheid als gegen den „gesunden Verstand gerichtet“ kritisiert. Mutig, dieser Appell an das gesunde Verhalten, von einer Firma ausgestossen, die offenbar ihre Stimme knapp über jenem Ölschlamm verlauten lässt, der Mio. von Menschen gesundheitliche Probleme verursachen wird.  

Zuständig beim SGB

Luca Cirigliano

Zentralsekretär

031 377 01 17

luca.cirigliano(at)sgb.ch
Luca Cirigliano
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