In einem neuen Leitentscheid (2C_499/2015) vom 6. September 2017 hält das Bundesgericht fest, dass die Koalitionsfreiheit den Gewerkschaften Zutritts- und Informationsrechte gibt. Das Urteil, vom VPOD erstritten, ist zur Publikation vorgesehen.
Das Bundesgericht hat mit seinem Urteil eine Verfügung des Tessiner Staatsrates aufgehoben, welche den Gewerkschaften den Zugang zu kantonalen Verwaltungsgebäuden untersagte. Gegen diese Verfügung hatte der VPOD rekurriert. Vor dem Tessiner Gericht noch erfolglos, hat er nun vor Bundesgericht Recht bekommen.
Zwar gilt das Urteil aus Lausanne streng genommen nur für den öffentlichen Bereich. Für den SGB jedoch ist per Analogie klar, dass es sich auch auf den privaten Bereich ausweiten muss. Das höchstrichterliche Urteil bestätigt die Rechtsmeinung vom SGB: Gewerkschaften müssen ihre Mitglieder informieren können. Sie müssen in die Betriebe gehen können. Sonst können sie ihre Rolle nicht richtig wahrnehmen (siehe Dossier im Anhang).
Für die Schweiz lassen sich die Informations- und Zutrittsrechte von Gewerkschaften aus einer ganzen Reihe von Bestimmungen ableiten. Es sind dies Art. 28 der Bundesverfassung sowie die ILO-Konventionen Nr. 87, 98 und 135. Auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ermöglicht im Rahmen von Art. 11 (Recht auf Vereinigungsfreiheit) den Arbeitnehmenden Tätigkeiten, welche für ihre Gewerkschaftsaktivitäten notwendig sind. Dazu gehört vorrangig die Information und Organisation in den Betrieben.
Breite Auslegung nötig
Klar ist: Die gewerkschaftlichen Zutritts- und Informationsrechte sind breit auszulegen. Es kann sich dabei um das Verteilen von Flyern auf Firmenparkplätzen, um das Auflegen von Broschüren in Pausenräumen, um das Anbringen von Informationen an Pinwänden oder das persönliche Gespräch auf dem Firmenareal handeln. Auch das Aufsuchen der Arbeitnehmenden an ihrem Arbeitsplatz gehört dazu, ebenso die Verwendung von elektronischen Hilfsmitteln, insbesondere der Gebrauch von Intranet oder Mailverteiler.
Das Bundesgericht hält nun fest, dass ein Zutrittsverbot für Gewerkschaften gegen übergeordnetes Recht verstösst. Wenn gewisse Modalitäten des Zutritts eingehalten werden (denkbar sind eine vorgängige Anmeldung oder zeitliche oder anzahlmässige Verständigungen) ist ein Zutritt bzw. die Kontaktaufnahme zu erlauben.