Bundesgericht bestätigt Verantwortung des Erstunternehmens

  • Flankierende Massnahmen und Personenfreizügigkeit
  • Löhne und Vertragspolitik
Artikel
Verfasst durch Jean Christophe Schwaab, Zentralsekretär SGB

Problematisches Ketten-Subunternehmertum in öffentlicher Beschaffung

Das Bundesgericht hat die Busse für einen Waadtländer Unternehmer bestätigt, der bei der Weitergabe von Auftragsteilen nicht darauf geachtet, dass Missbräuche verhindert werden. Ein erster wichtiger Schritt – der nächste muss die Solidarhaftung sein.

Soeben hat das Bundesgericht einen Entscheid gefällt, der sich hinsichtlich Bekämpfung von Missbräuchen bei Kettenkonstruktionen des Subunternehmertums (= der Unternehmer gibt einen Teil seines Auftrages an einen Subunternehmer weiter, dieser wiederum an einen Subsubunternehmer usw.) als entscheidend herausstellen dürfte. Dieses Problem des Ketten-Subunternehmertums kommt vor allem im Baugewerbe vor. Die Unternehmer, die so einen Teil des Auftrages an Subunternehmen auslagern, die das gleiche nochmals tun (usw.), wollen jeweils keine eigene Verantwortung tragen, wenn ein oder mehrere Unternehmen in der ganzen Sub-Kette Bestimmungen des Arbeitsvertrags missachten oder Lohn- und Sozialdumping betreiben.

Ein erster Schritt

Die Waadtländer Behörden hatten einen Unternehmer gebüsst, der nicht darauf geachtet hatte, dass in der ganzen Kette die Arbeits- und Lohnbedingungen respektiert werden. Diese Unternehmen führten einen öffentlichen Auftrag aus (Bau der Autostrasse H 144 im Chablais). Die Strafe (eine Busse von 6000 Franken) wurde durch das Kantons- und nunmehr durch das Bundesgericht bestätigt. Dem Bundesgericht zufolge hat der Erstauftragnehmer darüber zu wachen, dass alle weiteren Unternehmen, denen Teile seines Auftrages vermittelt erhalten, die Bestimmungen zum Arbeitnehmerschutz und zu den Arbeitsbedingungen respektieren. So kann dem Erstunternehmer Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, wenn „seine“ Subunternehmen diese Bestimmungen missachten.

Dieser Entscheid ist eine gute Nachricht für alle, die Lohndumping bekämpfen. Das höchste Gericht verlangt hier zwar noch nicht eine Solidarhaftung (der Erstunternehmer müsste in diesem Fall nicht nur eine Busse bezahlen, sondern sämtlichen von den Arbeitnehmern erlittenen Schaden). Das Urteil stellt aber einen ersten Schritt zu deren Einführung dar, zuerst im öffentlichen Beschaffungswesen, anschliessend auch in der Privatwirtschaft. Es zeigt deutlich auf, dass der Unternehmer sich um das, was seine Sub-Partner tun, kümmern kann und muss.

Die Solidarhaftung ist das beste Mittel, damit ein Erstunternehmer bei Auslagerung seine Verantwortung gegenüber den Lohnabhängigen wahrnimmt. Wenn der Erstunternehmer bei Lohndumping der Subunternehmen mithaften muss, wird er deren Praktiken auch kontrollieren. Einige Kantone haben denn auch die Solidarhaftung bereits in ihre Gesetzgebung über das öffentliche Beschaffungswesen eingeführt, so etwa die beiden Basel (vgl. § Beschaffungsgesetz BL/BS).

Solidarhaftung verlangt

An diesem Beispiel sollen sich die anderen Kantone und der Bund orientieren. Sie müssen sich Regeln geben, damit nachlässige Unternehmer nicht nur wie im vorliegenden Waadtländer Fall zu einer Busse verurteilt, sondern sämtlichen Schaden, den die Arbeitnehmenden von den Subunternehmen (resp. den Subsubunternehmen) erlitten haben, begleichen müssen, also sowohl die Nachzahlung von Rückständen beim Lohn wie bei den Sozialbeiträgen. Die eidgenössischen Räte, die demnächst über die Einführung einer Solidarhaftung für alle Unternehmen und nicht nur für die öffentliche Beschaffung beraten, sollen sich ebenfalls von diesem Entscheid des Bundesgerichtes inspirieren. Es handelt sich hierbei um eine wirkungsvolle Ergänzung der flankierenden Massnahmen.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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