Bisher unterschätzt: Tieflöhne in der reichen Schweiz weit verbreitet

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Medienmitteilung

Frauen und Arbeitnehmende mit Lehre besonders betroffen

Das Tieflohnproblem wurde in der Schweiz bislang deutlich unterschätzt. Dies zeigt eine neue Analyse der Universität Genf im Auftrag des SGB: In der reichen Schweiz muss demnach mehr als jeder zehnte Arbeitnehmende (11.8 Prozent) zu einem Tieflohn arbeiten, der selbst bei einer 100-Prozent-Stelle in vielen Fällen nicht zum Leben reicht. Bei mindestens 437‘000 Betroffenen liegt der Lohn unter der so genannten Tieflohnschwelle (3986 Fr./Mt. bei Privatwirtschaft und Bund). Eine weniger zurückhaltende Schätzung ergibt sogar über 500‘000 Betroffene (höhere Tieflohnschwelle durch Einbezug der Löhne bei Kantonen und Gemeinden). Der Bund ging bislang von deutlich tieferen Zahlen aus. Er hatte aber weder die Angestellten in der Land- und in der Hauswirtschaft mitgezählt, noch alle Löhne zur Berechnung der Tieflohnschwelle berücksichtigt.

Mehr als ein Drittel der Tieflohn-Beschäftigten haben eine Berufslehre absolviert. Der grösste Teil davon arbeitet im Detailhandel (37‘260). Diese Zahlen stellen der Schweizer Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik ein miserables Zeugnis aus. „Eine Berufslehre ist also keine Garantie mehr für eine Stelle mit einem anständigen Lohn“, kritisierte SGB-Präsident Paul Rechsteiner. Wie sollen Jugendliche so noch motiviert werden, eine Lehre zu absolvieren?

Besonders stark unter tiefen Löhnen leiden die Frauen. Sie sind fast drei Mal häufiger betroffen als die Männer (Tieflohnanteil der Frauen: 15,8 %; Männer: 6,1 %). Dieser im internationalen Vergleich markante Abstand zu den Männerlöhnen ist in hohem Ausmass auf die Lohndiskriminierung der Frauen in den Unternehmen zurückzuführen.

Die ersten 140 Anmeldungen auf dem Online-Tieflohnmelder der Unia (www.4000fr.ch) bestätigen die neuen Zahlen. Unia-Copräsidentin Vania Alleva schilderte eine schockierende Reihe gemeldeter Fälle. Ihr Fazit: „Tiefstlöhne sind eines der grössten sozialen Probleme der Schweiz. Der Handlungsbedarf ist riesig. Mit der Mindestlohninitiative liegt endlich ein guter Lösungsvorschlag auf dem Tisch.“

Die Analyse zeigt, dass die Schweiz die Lohnsituation der Betroffenen mit dem von der SGB-Initiative geforderten Mindestlohn von 22 Fr./h bzw. 4000 Fr./Mt. stark verbessern könnte, ohne Arbeitslosigkeit hervorzurufen. Bereits die internationale ökonomische Forschung zeigt, dass Mindestlöhne in Bezug auf die Arbeitslosigkeit grundsätzlich keine negativen Auswirkungen haben. Im Fall der Schweiz kommt dazu, dass die ausgeprägte Lohndiskriminierung und die hohe Betroffenheit der Berufsleute mit Lehre eine Lohnkorrektur durch einen Mindestlohn erlauben, ohne dass sich die Beschäftigungsaussichten verschlechtern.

Beiträge der Pressekonferenz
  • <media 878 - - "TEXT, 130228 PR Mindestlohn, 130228_PR_Mindestlohn.pdf, 67 KB">Paul Rechsteiner, Präsident SGB: "Arbeit muss sich lohnen"</media>
  • <media 879 - - "TEXT, 130228 DL tiefloehne, 130228_DL_tiefloehne.pdf, 128 KB">Daniel Lampart, Chefökonom SGB: "Analyse der Tieflohnsituation in der Schweiz: Erwerbstätige mit Lehre und Frauen stark betroffen"</media>
  • <media 888>Roman Graf, OUE, Universität Genf: Präsentation "</media><media 888>Tieflöhne in der Schweiz"</media>
  • <media 877 - - "TEXT, 130228 tieflohn Vania Alleva, 130228_tieflohn_Vania_Alleva.pdf, 104 KB">Vania Alleva, Co-Präsidentin Unia: "Tieflöhne: Ein 437’000-facher Skandal für die reiche Schweiz"</media>

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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