Quellen: 2018 Seco, 1996: De Coulon, A. et al. (2003): Analyse der Lohnunterschiede zwischen der ausländischen und der schweizerischen Bevölkerung. In: Wicker, H.-R. et al. (Hg.): Migration und die Schweiz, Seismo, Zürich.
Die Schweiz hat seit der Einführung der Personenfreizügigkeit einen Lohnschutz aufgebaut, der zu den besten Europas gehört. Die Sozialpartner kontrollieren im Rahmen des GAV-Vollzugs alleine rund 100'000 Löhne pro Jahr. Das ist unerlässlich. Weil die Löhne im europäischen Vergleich hoch sind. Und weil die Schweiz im Unterschied zu den meisten anderen Ländern in Europa kaum Sprachbarrieren hat. Ausländische Firmen können sich mit ihren Kunden auf deutsch, französisch oder italienisch kommunizieren. Im Unterschied beispielsweise zu Dänemark, wo es deshalb eine unsichtbare Grenze zu Deutschland gibt.
Der Lohnschutz weist nach wie vor empfindliche Lücken auf. Beispielsweise ist nur rund die Hälfte der Berufstätigen durch Mindestlöhne geschützt. In diesen ungeschützten Berufen und Branchen machen die Kantone zwar Kontrollen. Doch in gewissen Kantonen der Deutschschweiz wie SG, TG oder ZG werden nicht mehr als 2 Prozent der Schweizer Arbeitgeber pro Jahr kontrolliert (bzw. alle 50 Jahre). Im Dumpingfall müssen die Kantone die Firmen auffordern, ihre Löhne anzupassen. Doch mittlerweile tun das nur noch 53 Prozent der Firmen. Das Gesetz sieht bei Fällen von wiederholtem Dumping vor, dass Bund oder Kantone in den betroffenen Branchen Mindestlöhne erlassen. Doch abgesehen von den Kantonen Genf und Tessin wird das kaum gemacht.
Einem besonderen Risiko von Lohndruck ausgesetzt sind Neuanstellungen. Lohnsenkungen sind hier ohne Änderungskündigung möglich. Ein Teil der Neuanstellungen betrifft die Neubesetzung von vakanten Dauerstellen. Sehr bedeutend und sensibel sind aber auch Temporärstellen, Kurzaufenthalte oder Entsendungen – d.h. kurzfristige Einsätze mit vielen Wechseln. Gewisse Hinweise für Lohndruck bei Neuanstellungen liefern auch die im Observatoriumsbericht aufgeführten Studien von Favre, Föllmi und Zweimüller.
Mit dem Kapitel zum Gesundheitswesen greift der Observatoriumsbericht ein wichtiges Thema auf. Ein Problem sind die relativ häufigen Berufsaustritte. Gemäss dem neusten OBSAN-Bericht 2021 verlassen 42 Prozent der Pflegefachpersonen den Beruf vorzeitig. Ursachen dafür sind die Arbeitsbedingungen, die hohe Arbeitsbelastung, die teilweise schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder die Einkommensperspektiven. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass der Handlungsbedarf gross ist.