Das BAV hat einen Rekurs einer politischen Partei gegen die Südostbahn und die Appenzeller-Bahnen gutgeheissen. Die Bahnen hatten zuvor im Bahnhof Herisau mit Hinweis auf das Bahnhofsreglement eine politische Aktion verboten. Auch die SBB handeln häufig so und argumentieren dabei, dass „Behinderungen der Pendlerströme“ zu vermeiden seien. Die gleichen SBB verteilen aber grosszügig Bewilligungen an Private, die in den Bahnhöfen PR-Aktionen durchführen können – und das auch mit sehr ausgedehnten Ständen. „Behinderungen“ scheinen nicht an räumliche Ausbreitung gebunden…
Geschäfte ja – Politik nein
Öffentlicher Verkehr ist eine Staatsaufgabe, auch wenn der Staat diese Aufgaben an Unternehmen delegiert. Wie der Staat selbst sind diese Unternehmen, wenn sie öffentliche Aufträge ausführen, an die Grundrechte gebunden, ob die Unternehmen nun dem Privat- oder öffentlichen Recht unterstehen. Die Grundrechte schützen das Ausüben der politischen Rechte, seien das nun das Verteilen von Flugblättern, das Sammeln von Unterschriften für Initiative, Referendum oder Petition, oder Kampagnen- und Standaktionen im Rahmen von Wahlen oder Abstimmungen. Aktionen, die die Reisenden kaum stören, weil sie keine Infrastruktur benötigen (Verteilaktionen, Unterschriftensammlungen) sind ohne Bewilligung möglich. Es wäre sogar ungesetzlich, weil unverhältnismässig, sie einer Bewilligung unterstellen zu wollen.
Ein Stand jedoch, der ja mehr Raum beansprucht, kann bewilligungspflichtig sein. Ohne wichtigen Grund jedoch kann das Unternehmen diese Bewilligung nicht verweigern. Es muss zudem die Gleichbehandlung respektieren, insbesondere wenn zuvor ähnliche Aktionen für kommerzielle Zwecke zugelassen wurden.
Bleibt die Frage: Wird durch solche Aktionen nicht die Pflicht der Transportunternehmen zu politischer Neutralität verletzt? Nein – denn dem Publikum ist ja einsichtig, dass nicht das Transportunternehmen selbst die Aktion ausführt. Damit können sich auch die SBB nicht mehr hinter dem Argument der Neutralität verstecken.
Auch gewerkschaftliche Aktionen möglich
Für die Gewerkschaften bietet der BAV-Entscheid einen weiteren Vorteil. Wenn diese Transportunternehmen an die Grundrechte gebunden sind, dann haben sie auch die Gewerkschaftsfreiheit (Art. 28 Verfassung und zahlreiche internationale Abkommen) zu respektieren. Somit sind auch gewerkschaftliche Aktionen in Bahnhöfen zulässig.
Die SBB haben in einem ähnlich gelagerten Fall leider Rekurs ans Bundesgericht gemacht. Unsere Bundesbahnen wollen offensichtlich ihre Bahnhöfe weiterhin für kommerzielle, nicht aber für politische Aktionen zur Verfügung stellen. Ein bedauerliches Vorgehen eines Unternehmens, das dem Bund, also dem Volk selbst, gehört.
Siehe auch: Lukas MATHIS, Die Ausübung politischer Rechte auf Bahnhofsarealen. Jusletter vom 12.12.2011. www.weblaw.ch