Arbeitsunterbruch anordnen, wenn…

  • Schweiz
  • Arbeit
  • Flankierende Massnahmen und Personenfreizügigkeit
Artikel

Zürcher/innen stimmen über „Lohndumping stoppen!“ ab

Am 28. Februar werden die Stimmbürger/innen des Kantons Zürich über die Volksinitiative "Lohndumping stoppen" entscheiden. Das Begehren fordert bei begründetem Verdacht auf Verstösse gegen den Arbeitnehmerschutz einen Arbeitsunterbruch. Ein Ja würde griffige Kontrollen der Arbeitsbedingungen ermöglichen.

"Lohndumping ist bei uns im Kanton Zürich an der Tagesordnung. Die Situation ist komplett ausser Kontrolle geraten." So sagt es Lorenz Keller, Sprecher der Unia Zürich-Schaffhausen. Die häufigen Fälle von Missbrauch, zu tiefe Löhne, zu lange Arbeitszeiten usw., sollen nicht bloss einzeln angegangen werden. Denn sie würden zum System. Keller: "Lohndumping schadet allen, auch den fairen Firmen. Diese können nicht so preisgünstig offerieren. Sie werden entweder verdrängt oder müssen mit den Offerten auch nach unten. Bezahlen müssen dann die Arbeitnehmenden. So gibt's eine eigentliche Abwärtsspirale."

Arbeit unterbrechen bei begründetem Verdacht

Gegen die drohende Abwärtsspirale hat die Unia Zürich die Volksinitiative "Lohndumping stoppen" lanciert. Unterstützt von den übrigen Gewerkschaften und Parteien (AL, EVP, Grüne, Juso, SP), aber auch einem Komitee von Arbeitgebern und mehreren Paritätischen Kommissionen, fordert das Volksbegehren einen neuen Mechanismus gegen Lohndumping. Die Behörden sollen einen Arbeitsunterbruch verfügen können, wenn die Kontrollorgane "den begründeten Verdacht auf Verstösse gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer/innen oder gegen allgemeinverbindlich erklärte Arbeitsbedingungen" anzeigen. Dasselbe gilt, wenn die Firmen bei Kontrollen die Mitwirkung verweigern.

Korrekte Betriebe haben nichts zu fürchten

Welche Erfahrung steht hinter diesem Vorschlag? Es ist diejenige gescheiterter und versandeter Kontrollen. Firmen, die wirksame Kontrollen umgehen, die verschleiern, hinauszögern, die Mitwirkung bloss mimen - um dann plötzlich die Arbeit zu vollenden und samt den Mitarbeitenden zu verschwinden. Dann aber, wenn die Entsandten wieder weg sind, lässt sich kaum mehr was kontrollieren und schon gar nicht korrigieren. Kontrollen müssen effizient sein, solange die Arbeit noch nicht vollendet ist. Die Einstellung der Arbeit wird so zum Pfand gegen Austrickserei und Spiele auf Zeit. Korrekte Betriebe haben nichts zu fürchten. Betrüger jedoch werden an einer wunden Stelle gepackt. Endlich.

Wieder mal die alte Leier

Einem solchen Vorschlag sollte keine grosse Opposition erwachsen, wollte man meinen. Doch weit gefehlt: das Anti-Komitee von Gewerbe, Industrie, Banken und bürgerlichen Parteien bekämpft die Initiative mit der Brechstange. Das Komitee tut so, als würde ein Ja zu einem neuen griffigen Mittel einer neuen Inquisition das Tor öffnen, die dann gleich die halbe Zürcher Wirtschaft lahmlegte. Arbeitsplatzverluste, Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit, Bedrohung der Eigentumsgarantie. Und zu guter Letzt wird das Kernanliegen des Arbeitsunterbruches als nicht umsetzbar bezeichnet: Die Behörden würden wegen der Gefahr von Schadenersatzklagen sowieso nie einen Unterbruch anordnen: Wer solche argumentative Purzelbäume schlägt, muss im Abstimmungskampf denn doch viele blauen Flecken davontragen. Die Anti-Front ist jedoch nicht geschlossen. Viele faire Gewerbetreibende lehnen Schmutzkonkurrenz ab und unterstützen deshalb die Initiative.

Keine Verluderung der Arbeitssitten

Mit anderen Worten: die Gegner der Initiative fassen das heutige laisser faire und damit den Betrug an den Arbeitnehmenden als Kavaliersdelikt auf. Die Verluderung der Arbeitssitten wollen sie nicht wirksam bekämpfen. Was sie ausblenden, ob aus fehlender Weitsicht oder purer Ideologie, bleibe dahingestellt: Der mangelnde Wille, resolut gegen Lohndumping vorzugehen, bildet einen guten Teil jenes Humus, auf dem das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative gewachsen ist. In den Kantonen Genf und Baselland hat man das eingesehen. In letzterem haben die Stimmberechtigten im November 2015 eine Gesetzesinitiative für einen wirksameren Schutz vor Lohndumping angenommen. Im Rhonekanton hat die Legislative schärferen Kontrollen zugestimmt. Ab dem 1.1.2016 können Gewerkschaften und Arbeitgeber je zwölf von ihnen bestimmte Inspektor/innen einsetzen, die zusätzlich zu den kantonalen Inspektoren die Einhaltung der Arbeitsbedingungen kontrollieren sollen. Es ist sehr zu hoffen, dass sich die Zürcher Stimmberechtigten vom Trommelfeuer nicht irre machen lassen.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Premier secrétaire et économiste en chef

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
Top