Das Bankgeheimnis für (ausländische) Kunden wird fallen, und das dürfte grössere ökonomische Auswirkungen auf den Schweizer Finanzmarkt haben. Gewisse Banken könnten jetzt versucht sein, sich auf Kosten der Mitarbeiter zu sanieren. Gerade im Rahmen eines Nachfolgeprojekts zur gescheiterten „Lex USA“ sind die Risiken für die Bankmitarbeitenden nicht zu unterschätzen. Der Bundesrat muss dem Bankpersonal Datenschutz gewähren.
Prioritäres juristisches Ziel muss eine möglichst arbeitnehmerfreundliche Lösung der verschiedener Steuerstreite mit dem Ausland sein, die den Marktzugang der Schweizer Banken im Moment bedrohen (USA, EU, etc.).
Das US-Dossier zeigt, dass für gewisse Banken die Versuchung gross ist, sich durch möglichst umfassende Datenlieferungen an die USA einer Strafverfolgung in Übersee zu entziehen. Während das Bankgeheimnis des Kunden straf- und zivilrechtlich durch Art. 47 des Bankengesetzes (BankG) geschützt wird, zeigten sich gewisse Banken bereit, persönliche Daten von Mitarbeitenden mit Kontakt zu US-Personen den US-Behörden zu liefern.
Mitarbeiterschutz im Bankenbereich
Dieses Verhalten ist unter verschiedenen Aspekten rechtlich unhaltbar. Für alle Arbeitnehmenden in der Schweiz gilt ein (qualifizierter) Datenschutz: Art. 328b OR legt fest, dass der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht gerade auch die personenbezogenen Daten des Arbeitnehmenden schützen muss. Das beinhaltet neben einem grundsätzlichen Verbot der Weiterleitung an Dritte auch und besonders das Verbot, gewisse personenbezogene Daten überhaupt zu bearbeiten, einzusehen oder zu speichern, wenn sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Arbeitsverrichtung gemäss Arbeitsvertrag stehen und wenn nicht auch die Voraussetzungen des Datenschutzgesetzes (DSG) respektiert werden: U.a. sind hier die Prinzipien der Verhältnismässigkeit der Bearbeitung von Mitarbeiterdaten und die Weitergabe nur mit Zustimmung des Betroffenen zu nennen. Bei fehlender Einwilligung braucht es für eine Datenbearbeitung ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder eine (spezial-)gesetzliche Rechtfertigung (Art. 12 f. DSG).
Ob die Datenlieferungen von Tausenden Mitarbeiternamen im April 2012 unter Anwendung von Notrecht zur Gewährung einer „Globalbewilligung“ nach Art. 271 StGB rechtens waren, muss stark bezweifelt werden angesichts unklarer Notrechts-Kompetenzen des Bundesrates und damit einhergehenden Zweifeln an der Einhaltung des Legalitätsprinzips. Zur Erinnerung: Art. 271 StGB stellt sog. „verbotene Handlungen für einen fremden Staat“ unter Strafe. Hiermit soll sichergestellt werden, dass die staatliche Herrschaftssphäre nicht durch Handlungen verletzt wird, die in der Schweiz behördlichen Charakter aufweisen und deshalb die Einhaltung von gewissen rechtsstaatlichen Verfahren verlangen, wenn sie im Auftrag eines fremden Staates in der Schweiz durchgeführt werden sollen (z.B. Rechtshilfegesuche, vorherige Bewilligung durch Gerichte, etc.).
Auch der Eidgenössische Datenschützer war 2012 nicht in der Lage, den gesetzlichen Datenschutz gegenüber den Bankmitarbeiterdaten durchzusetzen. Vielmehr musste auch von dieser Seite eine gewisse Relativierung des Bankangestelltenschutzes beobachtet werden unter Anführung vermeintlich „höherer“ wirtschaftlicher Interessen der Arbeitgeber, keine Klage vor US-Behörden zu riskieren.[1] Besonders heikel war bei dieser sehr gewunden notrechtlich begründeten Datenlieferung, dass die Daten von den Arbeitgebern CS, HSBC, Julius Bär sowie der Zürcher und Basler Kantonalbanken an die US-Behörden nicht immer unter vorgängiger expliziter Vorinformation der betroffenen (ehemaligen) Angestellten verschickt wurden. Das bestehende Schweizer Recht zum Arbeitnehmer-Datenschutz zeigte so jedenfalls im besonders exponierten Bankenbereich drastisch seine materiellen und formellen Grenzen.
Steuerstreit USA-Schweiz: von der „Lex USA“ zum Plan B
Offenbar hat der Bundesrat jedoch zwischen 2012 und 2013 den Ernst der Lage erkannt und entschieden, den ordentlichen Gesetzgebungsweg zur Erreichung einer möglichst globalen Lösung mit den USA zu wählen. So hätte die Altlastensanierung mit der Verabschiedung einer „Lex USA“ von statten gehen sollen. Ohne Anrufung von Notrecht wäre ein zeitlich beschränktes Bundesgesetz[2] erlassen worden. Es hätte den betroffenen Banken erlaubt, einerseits Daten hinsichtlich Art. 271 StGB mit den USA auszutauschen, die ansonsten nur im Rahmen eines komplizierten ordentlichen Rechtshilfegesuchs an die zuständigen Schweizer Behörden hätten behandelt werden können. Andererseits wäre die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber bis zu einer eigentlichen Architektur von flankierenden Massnahmen erweitert worden.
Richtigerweise wurden hierbei der Schweizerische Bankpersonalverband SBPV, der Arbeitgeberverband Banken sowie die Bankiervereinigung vom Bundesrat mit der parallelen Ausarbeitung einer Vereinbarung zur Konkretisierung der Fürsorgepflicht gem. Art. 328 OR des Arbeitgebers in Bezug auf allfällige Folgekosten einbezogen. Dies, um die gravierendsten Folgen der an und für sich skandalösen Weitergabe von Mitarbeiterdaten an das US-Justizministerium (DoJ) im Rahmen der heute anstehenden möglichst globalen „Sanierung“ der Altlasten des Schweizer Bankgeheimnisses im Zusammenhang mit US-Kunden mit flankierenden Massnahmen weitestgehend zu neutralisieren. Die Ausarbeitung einer solchen Vereinbarung als Minimalbedingung, um überhaupt Daten mit dem DoJ austauschen zu dürfen, ist als Erfolg des SBPV und der Sozialpartnerschaft im Bankenbereich zu werten.
In der ersten Juliwoche hat nun der Bundesrat nach dem parlamentarischen Scheitern der „Lex USA“ einen sogenannten Plan B präsentiert. Dabei geht es darum, dass eine spezifische Rechtsgrundlage auf Verordnungsstufe für eine erleichterte Erteilung von Einzelbewilligungen mit entsprechenden Auflagen an Banken nach Art. 271 StGB in Kraft gesetzt werden soll. Der Bundesrat hat dabei im Rahmen des geltenden Rechts (OR, DSG, BankG, StGB) die Eckwerte für die Kooperation der Schweizer Banken mit den US-Behörden festgelegt. Zudem wird der Bundesrat mit dem DoJ auf der Basis der dann in die Verordnung gegossenen Eckwerte weitere Gespräche betreffend Start eines unilateralen US-Programms zur Vergangenheitsregelung jener Banken führen, gegen die noch kein Strafverfahren eröffnet wurde. Bei einer Teilnahme am Programm benötigen auch diese Banken eine Bewilligung im Rahmen der verabschiedeten Eckwerte. Über den Inhalt des Programms wird nur das DoJ entscheiden: Bei diesen Programmen handelt es sich nämlich um einseitige Verfahrensangebote der US-Behörden an die einzelnen Schweizer Banken.
Zwingende Elemente des Plan B zum Schutz der Angestellten
Der Bundesrat hat am 3. Juli 2013 beschlossen, die sozialpartnerschaftlich ausgearbeitete Vereinbarung zwischen Arbeitnehmerorganisation und Arbeitgeberschaft als „Eckwert“ für die Kooperation der Schweizer Banken mit den US-Behörden festzulegen. Dabei müssen sich die Banken verpflichten, jegliche allfällige Gerichts-, Anwaltskosten und andere Aufwendungen in den USA zu übernehmen sowie einen Härtefallfonds für unvorhergesehene Kosten zu schaffen.
Bankinstitute müssen sich natürlich auch rückwirkend für diejenigen Kosten verpflichten, welche im Zusammenhang mit der Datenlieferung aufgrund des völlig überstützt wirkenden Bundesratsbeschlusses vom 4. April 2012 getätigt wurden (wobei hier die juristische Auseinandersetzung noch läuft, wie die Blockierung der Datenlieferung in die USA durch ein Genfer Gericht Ende Juni 2013 in Erinnerung gerufen hat).
Die Tatsache, dass die Regelungen des Plan B nicht wie die „Lex USA“ auf Gesetzes- sondern nur auf Verordnungsstufe verankert werden, macht klar, dass der Rechtsschutz insbesondere für die Arbeitnehmenden sowohl materiell wie auch formell verbessert und ausgebaut werden muss. Einerseits müssen alle betroffenen, auch ehemaligen, Arbeitnehmenden, deren Daten geliefert werden, vorgängig einzeln informiert werden. Andererseits dürfen in Respektierung des Verhältnismässigkeitsprinzips wenn überhaupt nur Namen bzw. Daten von leitenden Kaderangestellten geliefert werden. Ein Weiterleiten an US-Behörden von Angaben zu organisatorisch untergeordneten Bankangestellten (Kundenberater, Backoffice, Sachbearbeitende, etc.) wäre juristisch nicht zu begründen.
[1] Für eine Kritik der Empfehlungen des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragen vom 17. Oktober 2012 vgl. die SGB-Stellungnahme zur Übermittlung von Bankmitarbeiterdaten: <media 656 - - "TEXT, 121018 LC Uebermittlung Bankmitarbeiterdaten, 121018_LC_Uebermittlung_Bankmitarbeiterdaten.pdf, 86 KB">www.sgb.ch/fileadmin/user_upload/Dokumente/Vernehmlassungen/121018_LC_Uebermittlung_Bankmitarbeiterdaten.pdf</media>.
[2] Bundesgesetz über Massnahmen zur Erleichterung der Bereinigung des Steuerstreits der Schweizer Banken mit den Vereinigten Staaten, Botschaft vom 29. Mai 2013.