Arbeitnehmerschutz gehört nicht ins Kleingedruckte

  • Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
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Verfasst durch Doris Bianchi, SGB-Zentralsekretärin

Die eidgenössischen Räte haben im Herbst 2008 ein Bundesgesetz verabschiedet, das die Bevölkerung nur ungenügend vor dem Passivrauchen schützt. Eine breite Allianz hat deshalb im Mai die Volksinitiative «Schutz vor Passivrauchen» lanciert. Diese verlangt einen umfassenden Schutz für alle Arbeitnehmenden und eine einheitliche, klare Rauchregelung für die ganze Schweiz.

Die eidgenössischen Räte haben am 3. Oktober 2008 das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen beschlossen. Das Gesetz verdient diesen Namen nicht. Lokale mit einer Nutzfläche bis 80m2 können weiterhin als Raucherlokale geführt werden, und alle Betriebe dürfen Rauchräume einrichten. Das Servicepersonal wird somit auch künftig im Zigarettendunst arbeiten und Gesundheitsbeeinträchtigungen hinnehmen müssen. Laut dem neuen Gesetz darf aber kein Arbeitnehmer und keine Arbeitnehmerin dazu gezwungen werden. Das Motto lautet vielmehr „Freiwillige vor“. Das Gesetz sieht vor, dass die Serviceangestellten in Raucherlokalarbeit schriftlich einwilligen müssen. Diese schriftliche Einwilligung beim Abschluss des Arbeitsvertrags ist nach Ansicht des Parlaments eine Garantie, dass sich die Serviceangestellten freiwillig dem Passivrauchen aussetzen. Der Arbeitnehmerschutz wandert damit ins Kleingedruckte.

Freiwillig?

Für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) ist dieser Umgang mit dem Arbeitnehmerschutz nicht nur fadenscheinig sondern geradezu perfid. Klar ist, dass es im Arbeitsverhältnis keine wirkliche Freiwilligkeit gibt. Arbeitnehmende sitzen am kürzeren Hebel. Wer arbeitet tut dies, um sich den Lebenserhalt zu sichern. Daher werden auch schlechtere, sprich ungesunde Arbeitsbedingungen hingenommen, denn eine Auswahl an anderen Stellen mit besseren Arbeitsbedingungen besteht vor allem heute nicht. In der Wirtschaftskrise überwiegt das Prinzip „Vogel friss oder stirb“. 

Wer verzichtet also auf das Einverständnis zur Arbeit in Raucherlokalen und setzt so seine Stelle aufs Spiel? Wohl keiner. Dies zeigen auch die Erfahrungen mit der Nacht- und Sonntagsarbeit. Auch nachts und sonntags arbeiten nur „Freiwillige“. Trotz Unbeliebtheit beim Personal boomt die Nacht- und Sonntagsarbeit in der Schweiz.

Klar ist auch, dass die Verantwortlichkeit für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz nicht auf die Arbeitnehmenden überwälzt werden darf. Nebst der Lohnpflicht gehört die Pflicht, die Gesundheit der Arbeitnehmenden zu schützen, zu den Urpflichten des Arbeitgebers. Diese kann nicht delegiert werden, indem die Arbeitnehmenden in eine Gesundheitsbeeinträchtigung einwilligen müssen. 

Gefährliches Modell

Der SGB befürchtet, dass diese Vorgehensweise Schule macht. Denkbar ist, dass künftig beispielsweise bei Asbestsanierungen Arbeitgeber, anstatt alle möglichen Schutzmassnahmen zu treffen, die Arbeitnehmenden zu einer schriftlichen Einwilligung anhalten und sich somit einen Persilschein für ungesunde, gefährliche Arbeit geben lassen. Aus diesen Gründen lehnt der SGB das neue Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen ab und trägt die eidgenössische Volksinitiative «Schutz vor Passivrauchen» mit. Sie wurde am 25. Mai 2009 von über 40 Organisationen aus den Bereichen Gesundheit, Prävention, Konsumenten- und Arbeitnehmendenschutz, Jugend sowie Elternschaft lanciert. 

Mit der Volksinitiative wird es für den Arbeitnehmenden kein Dilemma zwischen Gesundheitsschutz und Erhalt der Arbeitsstelle geben. Die Volksinitiative «Schutz vor Passivrauchen» macht zudem Schluss mit dem Sammelsurium von verschiedenen kantonalen Vorschriften. Sie fordert eine schweizweit einheitliche und wirksame Regelung zum Schutz der Bevölkerung vor dem Passivrauchen. Sie verlangt, dass in der Schweiz alle Innenräume rauchfrei werden, die öffentlich zugänglich sind oder als Arbeitsplätze dienen. Betreiberinnen und Betreiber von Gastronomiebetrieben haben die Möglichkeit, unbediente Rauchräume (Fumoirs) einzurichten. Jede Unterschrift ist auch ein Bekenntnis für einen wirksamen Arbeitnehmerschutz.

Zuständig beim SGB

Luca Cirigliano

Zentralsekretär

031 377 01 17

luca.cirigliano(at)sgb.ch
Luca Cirigliano
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