Arbeitnehmende sind kein Freiwild

  • Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
  • Arbeitsrechte
Artikel
Verfasst durch Luca Cirigliano

WAK-S öffnet Tür für mehr Burnout und Gratisarbeit!

Eine breite Koalition lehnt die Parlamentarischen Initiativen Graber und Keller-Sutter ab. Dennoch hat die ständerätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-S) am 31.8. die Verwaltung beauftragt, diese Vorstösse in Rechtstexte umzusetzen. Die Vorstösse wollen den elementarsten Arbeitnehmerschutz radikal abbauen.

Die Vorstösse Graber und Keller-Sutter wollen für einen bedeutenden Teil der Beschäftigten die Arbeitszeiterfassung und die Vorschriften zur Begrenzung der Arbeitszeit eliminieren. Alle Dachverbände der Arbeitnehmenden sowie die grössten Gewerkschaften des Landes haben sich dagegen ausgesprochen. Über eine halbe Million Mitglieder stehen hinter diesem Bündnis. Auch die ArbeitsmedizinerInnen positionieren sich klar dagegen.

Das sind die Gründe für die Opposition:

  • Die Vorstösse führen neue rechtliche Begriffe ("leitende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer", "Fachspezialisten") ein, welche im Arbeitsrecht nicht definiert sind. In Unternehmen gibt es viele Leitungsfunktionen auch in tieferen Hierarchieebenen, viele Arbeitnehmende sind sehr gut ausgebildet und Fachspezialisten. Auch Leute mit tieferen Löhnen müssten arbeiten wie ihre deutlich besser bezahlten Chefs, welche die Arbeitszeit nicht erfassen. Sie würden finanziell massiv schlechter gestellt, da mit dem Wegfall der Arbeitszeiterfassung auch die Bezahlung von Überstunden und Überzeiten verunmöglicht wird. Weil die Begriffe "leitende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer" und "Fachspezialist" so schwammig sind, sind mehr als ein Drittel der Beschäftigten gefährdet. ·
  • Für Tausende von Arbeitnehmenden würden wichtige materielle Bestimmungen aus dem Arbeitsgesetz, etwa jene zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit, zu Nachtruhe, Ruhezeit, Sonntagsarbeit, Pause und zu den Lohnzuschlägen, nicht mehr gelten. Sie würden diesen Schutz verlieren.
  • Stress ist heute nachweislich eines der grössten Probleme für die Arbeitnehmenden. Wer es sich leisten kann, arbeitet Teilzeit und versucht so, Stress zu verringern. Gerade für die Teilzeitmitarbeitenden, deren Zahl stetig steigt, ist die Arbeitszeiterfassung nötig. Sonst müssen sie immer mehr Gratisarbeit für die Unternehmen leisten.
  • Die physische Stempeluhr ist vielerorts Vergangenheit. Dank der Digitalisierung ist die Erfassung der Arbeitszeit heute jederzeit und überall sehr einfach möglich.
  • Mit der immer stärkeren digitalen Vernetzung vermischen sich die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Die parlamentarischen Initiativen schmälern die für die Regeneration und das Sozialleben zentrale Zeit im Privaten. Dies führt zu Unzufriedenheit, Stress, mehr krankheitsbedingten Ausfällen und damit letztlich zu gesellschaftlichen Problemen. Die Vorstösse greifen auch das für die Schweiz wesentliche Milizsystem an (Politik, Feuerwehr, Militär, Sport, Musik etc.). Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, welche angesichts des Fachkräftemangels verbessert werden sollte, wird erst recht gefährdet.

Der Verwaltung kommt nun nach dem Entscheid der Kommission die unmögliche Rolle zu, die Vorstösse konkret umzusetzen, ohne die Gesundheit der Arbeitnehmenden zu gefährden, die Vereinbarkeit zu gefährden sowie Gratisarbeit zur Norm zu machen.

Plattform wider die Interessen der eigenen Mitglieder

Dass nun die sog. "Plattform" von Angestellte Schweiz, Kaufmännischem Verband und Schweizer Kader Organisation in den Chor derer einstimmt, die den Schutz des Arbeitsgesetzes abbauen wollen, widerspricht den ureigensten Interessen der Arbeitnehmenden. Die Plattform fordert die Einführung einer 60-Stunden-Woche und des 15-Stunden-Arbeitstages. Der SGB lehnt diese Forderungen klar ab. Beide Forderungen der Plattform sind gesundheitsschädigend und widersprechen jeglichem Interesse nach mehr Vereinbarkeit. Sie stehen im Widerspruch zu den Erkenntnissen aller einschlägigen Studien, die zeigen, dass in der Schweiz Vollzeitangestellte bereits sehr lange arbeiten und dass der Stress am Arbeitsplatz zunimmt. Sogar die Umfrage des KV selbst weist nach, dass keine längeren Arbeitszeiten, wohl aber die Arbeitszeiterfassung gewünscht werden. Gerade leitende Angestellte und höher qualifizierte Fachpersonen, die im Visier der Deregulierung der Plattform stehen, beklagen steigenden Stress und real sinkende Arbeitszeitautonomie. Die Einführung einer 60-Stunden-Woche sowie die Möglichkeit, den Arbeitstag auf 15 Stunden auszudehnen und nur noch 9 Stunden für Schlaf und Familie vorzusehen, bedeuten ein offenes Tor für Burnout und Stresserkrankungen. Dies umso mehr, wenn gleichzeitig auch noch die Arbeitszeiterfassung abgeschafft werden würde. Gleichzeitig würden so Überstunden eliminiert. Das Resultat davon: mehr Gratisarbeit.

Zuständig beim SGB

Luca Cirigliano

Zentralsekretär

031 377 01 17

luca.cirigliano(at)sgb.ch
Luca Cirigliano
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