Arbeit muss sich lohnen!

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Artikel
Verfasst durch Paul Rechsteiner

Ja zur Mindestlohn-Initiative

Wer Vollzeit arbeitet, der muss vom Lohn auch leben können. Das verlangt die Menschenwürde. Aber genau so die wirtschaftspolitische Vernunft. Es kann doch nicht sein, dass wer voll arbeitet, auch noch vom Staat unterstützt werden muss, damit er oder sie leben kann. Lohnsubventionen zugunsten von Arbeitgebern, die schlechte Löhne zahlen, sind unwürdig und ökonomisch unsinnig.

In der Schweiz gibt es rund 330‘000 Personen, die zu Löhnen unter 22 Franken pro Stunde arbeiten müssen. Ein Drittel davon verfügt über eine abgeschlossene Berufslehre. Sie leisten tagtäglich qualifizierte Arbeit, ohne dass sie vom Lohn auch anständig leben könnten. Die Mindestlohninitiative der Gewerkschaften sorgt dafür, dass sich das ändert. Es wird Zeit, dass sich in der Schweiz die Arbeit für alle lohnt.

Mindestlöhne helfen auch der Berufslehre. Die grösste Herausforderung für unser gutes System der Berufsbildung besteht darin, dass Berufsleute trotz abgeschlossener Berufslehre kein Einkommen erzielen, das für ein anständiges Leben reicht. Mindestlöhne sind die entscheidende Massnahme für die Aufwertung der Berufslehre. Nicht nur die Arbeit, auch die Lehre muss sich lohnen.

Besonders gravierend sind im schweizweiten Vergleich die Lohnverhältnisse im Detailhandel. Fast 50‘000 Beschäftigte verdienen weniger als 22 Franken pro Stunde. Gute Gesamtarbeitsverträge gibt es bei den Grossverteilern Coop und Migros. Bedenklich schlecht sind aber die Arbeitsbedingungen bei den grossen Kleider- und Schuhketten, die sich weigern, Gesamtarbeitsverträge abzuschliessen. Es sind Branchen mit hohen Renditen und einer enormen Produktivitätssteigerung. Ihren Verkäuferinnen und Verkäufern aber verweigern sie anständige Löhne.

Der Missstand der Lohnverhältnisse im Detailhandel und insbesondere bei den grossen Schuh- und Kleiderketten zeigt den grossen Handlungsbedarf. Er illustriert aber auch, wo in der Schweiz die Probleme liegen. Im Gegensatz zu anderen Ländern, wo die Tieflöhne vor allem ein Problem der Jungen sind, sind die zu tiefen Löhne in der Schweiz schwergewichtig ein Problem der schlecht entlöhnten Frauen. Die Lohndiskriminierung ist in der Schweiz nach wie vor gross. Frauen verdienen im Detailhandel für die gleiche Arbeit 630 Franken im Monat weniger als die Männer. Mindestlöhne sind die wirksamste Massnahme gegen die Lohndiskriminierung der Frauen in der Schweiz.

Die Mindestlohninitiative fördert auch die Sozialpartnerschaft. Der gesetzliche Mindestlohn greift dort, wo es keine Gesamtarbeitsverträge gibt. Der Missstand, dass sich die Arbeitgeber in Branchen ohne Gesamtarbeitsvertrag bei den Löhnen an keine Regeln halten, muss im Interesse aller abgestellt werden.

Ein Wort schliesslich zum Zusammenhang mit den Renten. Zu tiefe Löhne führen im Alter auch zu ungenügenden Renten. Anständige Löhne sind die Basis für anständige Renten. Und wenn dank der Mindestlohninitiative die Löhne unten und in der Mitte der Lohnpyramide steigen, dann trägt das auch zur Finanzierung der AHV bei. Denn im Gegensatz zu den Dividenden der Aktionäre sind die Löhne voll beitragspflichtig.

Die Mindestlohninitiative hat seit der Lancierung bis heute schon eine grosse Vorwirkung erzielt. Denn es hat sich gezeigt, dass nicht nur die arbeitenden Menschen, die für ihre Arbeit nicht anständig bezahlt werden, ein Problem haben. Ein Problem haben in der öffentlichen Debatte auch jene Arbeitgeber, die ihren Beschäftigten trotz Vollzeitarbeit keinen Lohn zahlen, von denen diese anständig leben können.

Die menschliche Arbeit hat nicht nur einen Wert, sondern auch einen Preis. Die Mindestlohninitiative sorgt für ein Stück elementarer lohnpolitischer Gerechtigkeit. Denn eine Billiglohnpolitik ist für die Schweiz kein Rezept.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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