Am Dienstag hat das SECO seinen Bericht über die Umsetzung der Flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit veröffentlicht. 38 % der ausländischen Entsendebetriebe und 41 % der im Inland kontrollierten Arbeitgeber drücken die Löhne. Diese Missbrauchsfälle sind 2010 gegenüber dem Vorjahr noch angestiegen.
Diese Fakten sind für sich allein besorgniserregend. Noch mehr Besorgnis allerdings weckt der Umstand, dass die Behörden die Lohnverstösse nur sehr zahm und lau bekämpfen. Dabei fehlt es ihnen hier nun nicht an Instrumenten. Die Gesetzgebung sagt klar, dass bei wiederholt festgestelltem Lohndumping Mindestlöhne erlassen werden müssen – entweder via Allgemeinverbindlicherklärung eines Gesamtarbeitsvertrages (GAV) oder durch Erlass eines Normalarbeitsvertrages (NAV) mit zwingendem Mindestlohn.
Es wird, wie die offiziellen Zahlen zeigen, gehäufter Lohnmissbrauch festgestellt – aber bis jetzt haben allein die Kantone der lateinischen Schweiz NAV erlassen. Viele Deutschschweizer Kantone dagegen tun nicht, was sie tun müssten. Das ist sozial blind, weil so den hiesigen Beschäftigten wie den neu aus dem Ausland kommenden der ihnen zustehende Lohnschutz verweigert wird. Und es ist ein Spiel mit dem Feuer, weil diese fahrlässige Haltung einer konsequenten Nichtinterventionspolitik das Misstrauen gegen die Personenfreizügigkeit stärkt.
Mindestlöhne sind das A und O einer Politik, die die ansässigen Arbeitnehmenden vor deloyaler Konkurrenz schützt. Nur muss man sie auch einführen.
Nötig ist und bleibt zudem, den GAV für Temporäre nun rasch flächendeckend in Kraft zu setzen. In der Reinigung, ebenfalls eine Branche mit überdurchschnittlich häufigem Lohndumping, müssen die GAV-Mindestlöhne auf alle Unternehmen – auch auf die kleinen in der Deutschschweiz – ausgedehnt werden. Zudem braucht es dringend eine gesetzliche Grundlage, damit die Scheinselbständigkeit wirksam bekämpft werden kann. Denn viele Entsandte sind bloss auf dem Papier selbständig. Ihre Entsendebetriebe, findig und windig, haben ihnen geraten, sich so zu deklarieren, um den Mindestschutz zu umgehen.
Also: die Fakten liegen auf dem Tisch. Die Korrekturmittel liegen bereit. Man muss es nur noch tun!