Abbau des gesetzlichen Schutzes vor Burnout: Zynische Arbeitgeber

  • Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
  • Arbeit
Artikel
Verfasst durch Luca Cirigliano

Wer den Arbeitnehmerschutz abbaut, soll nicht über die Folgen jammern

Mit grossen, teuren Plakaten sorgt sich der Schweizer Versicherungsverband (SVV) seit Wochen öffentlich darüber, dass die Burnout-Fälle in der Schweiz explosionsartig zunehmen. Das Timing könnte nicht zynischer sein. Denn die Ständeratskommission will den Arbeitnehmendenschutz massiv abbauen.

Damit will die ständerätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben die Parlamentarischen Initiativen von Ständerätin Karin Keller-Sutter (FDP) und Ständerat Konrad Graber (CVP) umsetzen. Ende Juni liess die Kommission die Bombe platzen und präsentierte ihre Abbauvorlage, mit welcher der Schutz gegen Burnout aus dem heutigen Arbeitsgesetz praktisch ausradiert werden soll.

Ein Fall also für den Versicherungsverband, der sich doch wegen der Burnouts Sorgen macht? Doch halt: der SVV ist Mitglied beim Schweizerischen Arbeitgeberverband. Und schau an, wer ist in den Vorständen des Arbeitgeberverbandes prominent vertreten? Ständerätin Keller-Sutter (der man Bundesratsambitionen nachsagt) und Ständerat Graber (der die Interessen der Treuhand-Arbeitgeber von Expertsuisse vertritt - einer Branche, in der Arbeitnehmende mit überlangen Arbeitszeiten ausgepresst werden wie die Zitronen ...).

Mit der ständerätlichen Riesen-Revision im Sinne von Keller-Sutter und Graber würde das Arbeitsgesetz beim Schutz vor Burnout gerade für diejenigen aufhören zu existieren, die es am nötigsten haben: mittleres Kader; Wissensarbeitende, die häufig im Homeoffice arbeiten; aber auch Fachspezialistinnen, bei denen Ruhe und Konzentration das A und O der Tätigkeiten sind (man denke nur an die anspruchsvolle Arbeit von Revisoren oder von Angestellten im Gesundheitswesen). Schöner Nebeneffekt der "Reformen": Die Arbeitgeber könnten auch noch von Gratis-Arbeit profitieren, denn wer die Arbeitszeit nicht aufschreiben darf, bekommt auch keine Überstunden ausbezahlt und kompensieren geht dann auch nicht - bequem für sparsame Arbeitgeber!

Die Reformen würden die Freiwilligkeit, die heute besteht, wenn es um Flexibilität geht, abschaffen, das Recht auf Arbeitszeiterfassung würde ebenso wegfallen wie die Vorschriften zu Höchstarbeitszeit, Sonntags- und Nachtarbeit. Die Schweiz hat bereits das arbeitgeberfreundlichste Arbeitsrecht Europas. Soll es wirklich auf Kosten der psychischen Gesundheit noch einseitiger auf Flexibilität à la Arbeitgeber getrimmt werden? Wollen wir noch mehr Burnouts, mehr Gratisarbeit, weniger Lohn?

Die Gewerkschaften und Arbeitnehmendenverbände weisen diese Zumutung zurück und fordern das Parlament auf, endlich zur Besinnung zu kommen und die parlamentarischen Initiativen Graber und Keller-Sutter zu begraben. Denn diese würden volkswirtschaftlich Kosten und Leid verursachen. Vielleicht erhalten die Gewerkschaften ja nun Schützenhilfe von ungewohnter Seite. Oder waren die Sorgen des SVV über die zunehmenden Burnouts das (teure) Papier nicht wert, auf dem sie verbreitet wurden?

Zuständig beim SGB

Luca Cirigliano

Zentralsekretär

031 377 01 17

luca.cirigliano(at)sgb.ch
Luca Cirigliano
Top