Kinder in der Kita

Foto: Andrey Kuzmin / istockphoto.com

 

Es braucht krisenresistente Betreuungsstrukturen

  • Corona
  • Gleichstellung
  • Service Public
Artikel
Verfasst durch Regula Bühlmann

Kinderbetreuung und Corona-Krise

Aus der ausserordentlichen Session des nationalen Parlaments resultiert eine bescheidene Verbesserung für die familienergänzende Kinderbetreuung: Der Bund soll sich mit 65 Millionen Franken an der Unterstützung der durch die Krise schwer gebeutelten Kinderbetreuungseinrichtungen beteiligen. Doch um in Zukunft auf krisenresistente Betreuungsstrukturen bauen zu können, braucht es entschieden mehr. Ziel muss die Organisation der Kinderbetreuung als Service Public sein, wie sie auch eine parlamentarische Initiative aus den Reihen des SGB verlangt.

Die Schweiz tastet sich langsam wieder aus der Corona-Krise heraus und versucht einen Umgang mit der neuen Normalität auf Distanz zu finden. Nächste Woche öffnen Restaurants, Läden und Schulen und viele Arbeitnehmende – ob im Homeoffice oder am Arbeitsplatz – können sich wieder auf ihre Erwerbsarbeit anstatt auf die Unterstützung ihrer Kinder beim Fernunterricht konzentrieren. Nicht wenige erwarten wohl schon ihre nächsten Ferien, um sich von den Monaten der Doppelbelastung zu erholen. Denn eines hat sich während der Corona-Krise deutlich gezeigt: Homeoffice ist langfristig keine Lösung, um Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen.

Doch die Realität in der Kinderbetreuung droht auch während und nach dem Ausstieg aus der Krise schwierig zu bleiben: Die Betreuung durch Grosseltern wird voraussichtlich noch über längere Zeit eine unsichere Lösung bleiben und in den schul- und familienergänzenden Betreuungsstrukturen müssen weiterhin Massnahmen für den Gesundheitsschutz umgesetzt werden. Um dieser neuen Realität zu begegnen, braucht es genügend Personal, genügend Plätze und genügend Platz: Personal, das nicht zur Risikogruppe gehört, um die Kinder in kleineren Gruppen mit angepasstem Schlüssel zu betreuen; Plätze, um auch diejenigen Kinder aufzunehmen, deren Grosseltern die Betreuung nicht mehr übernehmen werden; und Platz, um die Massnahmen des Gesundheitsschutzes umzusetzen.

Die Kinderbetreuungseinrichtungen werden den Betrieb mit diesen Anforderungen nicht aus eigener Kraft stemmen können: In der Schweiz hat man die Organisation der familienergänzenden Kinderbetreuung zu lange dem Markt überlassen, der Angebot und Nachfrage regeln sollte. Nun fehlen finanzielle Reserven. Anders als die Dienstleistungen des Service Public hat sie sich deshalb als wenig krisenresistent herausgestellt: 70% der Kitas können mit den coronabedingten Betreibseinschränkungen höchstens drei Monate ohne Zusatzfinanzierung überleben, wie der Verband Kibesuisse berechnet. Die über Jahre auch mit Finanzhilfen des Bundes aufgebauten Strukturen würden rasch einbrechen. Den Preis würden neben Kita-Betreibenden und -Angestellten vor allem auch die Eltern – mehrheitlich die Mütter – zahlen, die für die Kinderbetreuung ihre Erwerbsarbeit reduzieren oder aufgeben würden. Dies wäre ein grosser Rückschritt in Sachen Gleichstellung.

Trotzdem weigerte sich der Bundesrat, die nötige Zusatzfinanzierung ebenso per Notrecht zu verordnen, wie er Mitte März die Aufrechterhaltung der Kinderbetreuungsangebote verfügt hatte. Nun hat das Parlament in seiner ausserordentlichen Ssession nachgebessert und 65 Millionen Franken gesprochen. Dieser bescheidene Betrag wird hoffentlich den Kantonen ein Anreiz sein, eigene finanzielle Mittel beizusteuern, um den Bestand ihrer Betreuungsplätze zu erhalten. Doch dies allein wird nicht ausreichen: Der Bestand muss nicht nur erhalten, sondern ausgebaut werden, um den zusätzlichen Betreuungsbedarf zu decken. Diesen Ausbau müssen Bund und Kantone gemeinsam anstossen, koordinieren und finanzieren. Dafür braucht es ein tragfähiges Konzept, wie es die neu entstandene Koalition Kinderbetreuung mit 40 Mitgliedsorganisationen in einem Appell fordert. Ziel muss sein, die familien- und schulergänzende Kinderbetreuung nach Vorbild der schulischen Bildung als Service Public zu organisieren. Der SGB hat im Nachgang des Frauen*streiks beschlossen, diesen Paradigmenwechsel mit einem Projekt anzustossen. VPOD-Präsidentin Katharina Prelicz-Huber hat einen ersten Schritt getan und während der ausserordentlichen Session zusammen mit SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard die Parlamentarische Initiative «Familien- und Schulergänzende Kinderbetreuung als Teil des Service Public» eingereicht.

Zuständig beim SGB

Julia Maisenbacher

Zentralsekretärin

031 377 01 12

julia.maisenbacher(at)sgb.ch
Top