Deutsche Fleischverarbeiter als Corona-Herd auch wegen ungenügenden Kontrollen der Löhne und Arbeitsbedingungen - ein Lehrstück zum Rahmenabkommen

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Blog Daniel Lampart

In Deutschland sind die Unterkünfte von gewissen Fleischverarbeitern ein Corona-Epidemieherd. Das ist leider nicht überraschend. Die Arbeitsbedingungen in der deutschen Fleischverarbeitung sind seit Jahren prekär. Vor allem weil die Branche mit unzähligen Subunternehmen arbeitet – davon viele aus den östlichen EU-Mitgliedstaaten. Diese stehen unter einem enormen Preis- und Konkurrenzdruck, den sie an die Arbeitnehmer weitergeben. Seit 2014 hat sich die Lage zwar etwas entschärft – u.a. wegen der Einführung des Mindestlohnes. Nach wie vor sind aber die Hälfte der Arbeitnehmenden in der Branche nicht bei den Firmen selber angestellt, sondern bei Subunternehmen («Dienstleister») oder bei Temporärfirmen (s. das Buch von Bosch et al.).

Die Kontrollen der Löhne und der Arbeitsbedingungen sind mangelhaft. Wie vielerorts in Deutschland. Für die Lohnkontrollen ist in der Regel der Zoll zuständig. Dieser steht regelmässig in der Kritik, dass er zu lasch kontrolliert. Im Jahr 2017 wurde die bescheidene Zahl von 233 Firmen kontrolliert – bei über 8000 Unternehmen in der ganzen Branche, wobei die aus dem Ausland kommenden Subunternehmen dabei nicht mitgezählt sind (Quelle: Bosch et al.): "Obwohl die Fleischwirtschaft zu den Schwerpunktbranchen des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes gehört, ist die Zahl der Kontrollen sehr überschaubar", wie es Bosch et al. sehr vornehm formulieren (S. 225).

Diese Fakten sind auch für die Schweiz relevant. Denn bei den Verhandlungen zum Rahmenabkommen wurde die Schweiz von der EU-Kommission aber auch von süddeutschen Arbeitgeberorganisationen unter Druck gesetzt, weniger Kontrollen zu machen. Die Schweizer Kontrolldichte sei unverhältnismässig, war eine oft gehörte Kritik. Effektiv ist es richtig, dass in der Schweiz mehr und schärfer kontrolliert wird. Vor allem in den Branchen mit Gesamtarbeitsverträgen. Wie das Beispiel der Fleischverarbeitung zeigt, liegt das Problem aber in Deutschland und nicht in der Schweiz. Die Deutschen müssen ihre Firmen häufiger und strenger kontrollieren. Der Lohnschutz in Europa muss besser werden, nicht schlechter.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

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