Sinkende Ungleichheit? Nur wenn man eine wacklige Methode anwendet. Kommentar zum Tagesanzeiger-Artikel von heute

Blog Daniel Lampart

Gastblog von David Gallusser: 

Heute hat das World Inequality Database (https://wid.world/) ihren neuen Bericht zur weltweiten Ungleichheit publiziert. Sie haben dabei auch neue Zahlen zur Einkommens-Ungleichheit in der Schweiz veröffentlicht. Der Tages-Anzeiger (https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz-warum-ungleichheit-beim-einkommen-nicht-zunimmt-537783032377d) hat die Zahlen aufgegriffen.

Glaubt man den neuen Schätzungen, ist die Ungleichheit in der Schweiz gesunken. Das steht allerdings im Widerspruch zu zahlreichen anderen Quellen, welche die Einkommensungleichheit in der Schweiz beschreiben:

Die World Income Database (WID) kommt im Wesentlichen aufgrund ihrer Methode zu einem gegenteiligen Schluss. 

Sie schätzt, um internationale Vergleich erstellen zu können, die Verteilung des sogenannten «Nettonationaleinkommen» (= Einkommen, die Schweizer Bevölkerung und Firmen im In- und Ausland beziehen). Das Nationaleinkommen ist eine Grösse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR). Leider macht die VGR keine Angaben über dessen Verteilung. Um sie herzuleiten, verwendet das WID unter anderem die Umfragen-Daten der SILC und Steuerdaten. Zudem muss sie eine Reihe von Annahmen treffen, um die unterschiedlichen Einkommensdefinitionen und Mängel in den Daten zu überbrücken.

Entscheidend dürften vor allem die Annahmen zu den Einkommen aus Kapitalgewinnen sowie aus Gewinnen von Unternehmen, sein, die einbehalten und nicht ausgeschüttet werden. Diese zu messen ist notorisch schwierig. Das gilt besonders für ein Tiefsteuerland wie die Schweiz, wo Konzerne Gewinne hin und wieder weg verschieben. Selbst die Schätzungen zur Höhe des Nettonationaleinkommens ingesamt dürften deshalb nicht über jeden Zweifel erhaben sein. 

Leider lässt der vereinfachte Ansatz, den die WID gewählt hat, keine besseren Aussagen zu. Eine Forschungsgruppe der KOF der ETH (https://x.com/eneabaselgia/status/1998423546998222949) hat sich deshalb daran gemacht, die Verteilung des Nettonationaleinkommens in der Schweiz besser zu schätzen. Sie verwenden eine genauere Methode als die WID heute. Und auch sie beobachten gemäss ersten Ergebnissen keine sinkende Ungleichheit.

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