Schweiz hat im Europa-Vergleich höchste Lebensarbeitszeiten - aufgrund von langen Arbeitswochen und einem hohen Rentenalter

Blog Daniel Lampart

Als Schweizer Mann kann man sich in Frankreich alt vorkommen. «Vous êtes à la retraite, Monsieur?», wurde ich dieses Jahr – als 56-Jähriger – gefragt. Einem Freund von mir ging es auf einer Velotour genau gleich. 

Tatsächlich geht der Durchschnitts-Franzose mit etwas über 60 in Rente, während die Schweizer Männer bis knapp 65 arbeiten. Das bestätigt der gestern veröffentlichte Employment Outlook der OECD

Die Schweizerinnen und Schweizer arbeiten viel. Sie gehen vergleichsweise spät in Rente und die Wochenarbeitszeiten sind länger als in den meisten europäischen Ländern. Beides zusammen ergibt lange Lebensarbeitszeiten. 

Aus Gründen der Vergleichbarkeit beschränken wir uns hier auf die Männer. Detaillierte Statistiken gibt es bei Eurostat. Diese zeigen: Über das ganze Leben arbeitet in Europa niemand länger als die Schweizer Männer, ausser den Isländern. Ein Schweizer arbeitet 44.5 Lebensjahre. Ein Deutscher 41.7. Beim Franzosen sind es 38.5 Jahre. 

Dazu kommen lange Wochenarbeitszeiten. In der Schweiz arbeitet man 42.7 Stunden bei einer Vollzeitstelle. Aus Gründen der Vereinbarkeit oder um die Belastung zu reduzieren, arbeitet allerdings ein Teil der Berufstätigen Teilzeit. Die tatsächliche Wochenarbeitszeit der Männer liegt deshalb bei 35.5 Stunden pro Woche. Leider kann man die Arbeitszeiten international nur bedingt miteinander vergleichen. Die verschiedenen Statistiken weichen voneinander etwas ab. 

Aber egal wie man rechnet, gehört die Schweiz immer zu den Ländern mit der höchsten Lebensarbeitszeit. Sie beträgt für Männer etwas mehr als 72'000 Stunden gemäss den BFS-Zahlen bzw. über 79'000 Stunden, wenn man die Eurostat-Zahlen verwendet und mit 45 Arbeitswochen jährlich rechnet. 

Lebensarbeitszeit der Männer in Stunden (mit Eurostat-Statistiken)

Die Arbeitgeber fordern, dass wir noch länger arbeiten sollen. Obwohl die Volksinitiative der Jungfreisinnigen zum höheren Rentenalter in der Abstimmung weniger Zustimmung erhalten hat als jede Juso-Initiative und obwohl das Frauenrentenalter 65 nur sehr knapp angenommen wurde, insistiert der Arbeitgeberverband darauf, dass Rentenalter 65 fallen soll. 

Sie werden mit ihrer Forderung auflaufen. Immer mehr Leute haben genug von den langen Arbeitszeiten und der steigenden Belastung am Arbeitsplatz. Dazu kommt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die mit solchen Pensen schwierig ist. Viele sind müde und wollen eher weniger als mehr arbeiten. 

Statt die Berufstätigen dazu zu zwingen, noch mehr zu arbeiten, würden sich die Arbeitgeber besser für die Integration von Leuten einsetzen, die keine oder keine den Fähigkeiten entsprechende Arbeit haben. In der Schweiz sind rund 200'000 Personen erwerbslos. Die RAV haben zwar damit begonnen, den Arbeitslosen vermehrt Stellen anzubieten und haben die Arbeitgeberkontakte intensiviert. Doch nach wie vor dominieren im Alltag die Kontrollaufgaben. Viele, insbesondere Frauen, die in die Schweiz eingewandert sind, haben keine richtige Ausbildung. In den Alters- und Pflegeheimen machen sie beispielsweise fast ein Viertel der Belegschaft aus. Trotzdem unternimmt die Schweiz wenig Anstrengungen, dass diese einen Lehrabschluss nachholen können. 

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