Professionelles Verhandlungspowerplay der EU beim Rahmenabkommen - die Schweiz muss hier noch stark zulegen

  • Flankierende Massnahmen und Personenfreizügigkeit
Blog Daniel Lampart

Die EU-Kommission hat gegenüber der Schweiz ein professionelles Powerplay aufgezogen, um für das Rahmenabkommen Druck zu machen. Wenn die Schweiz das Abkommen nicht abschliessen würde, droht sie mit weiteren Beschränkungen des Binnenmarktzugangs (Aktualisierung Medtech-Bestimmungen u.a.). Ein solches Powerplay gehört zu Verhandlungen. Darüber soll man sich nicht beklagen.

Beklagenswert ist hingegen, dass die Schweiz die Verhandlungen nicht annähernd so professionell begleitet. Im Gegenteil: Der EDA-Vorsteher und seine Equipe übernehmen die Drohkulisse der EU teilweise sogar. Noch radikaler ist die Präsidentin der aussenpolitischen Kommission des Nationalrates, GLP-Nationalrätin Moser, die die Arbeitslosigkeitskeule schwingt: «Die Gewerkschaften fordern Schutz für die Löhne von Arbeitsplätzen, die es ohne Marktzugang teilweise gar nicht mehr geben wird.»

Die Realität ist, dass die EU in vielen Fällen von den Verflechtungen mit der Schweiz stärker profitiert bzw. die Schweiz viele Regelungen zugunsten der EU angepasst hat.

Viel mehr Dienstleistungen von EU-Firmen in der Schweiz als umgekehrt

Wegen ihrem hohen Einkommensniveau ist die Schweiz ein attraktiver Markt für ausländische Anbieter. Heute arbeiten Entsandte und Selbständige aus der EU über 2.5 Mio. Tage pro Jahr in der Schweiz. Das entspricht einem Auftragsvolumen von gegen 2 Mrd. Franken. In keinem Land in Europa arbeiten so viele ausländische Dienstleistungserbringer wie in der Schweiz (gemessen an der Wohnbevölkerung). Umgekehrt gibt es kaum Schweizer Firmen, die ins Ausland gehen. Teilweise weil es sich ökonomisch nicht lohnt, aber auch weil es administrativ sehr aufwändig ist. Zahlreiche Firmen, die beispielsweise in Deutschland Aufträge ausgeführt haben, klagen über die mühsamen Auflagen für Schweizer Firmen in Deutschland.

Entsendungen in Prozent der Wohnbevölkerung (netto, 2018)

Schweiz kauft mehr EU-Produkte und Dienstleistungen als umgekehrt

Im Aussenhandel kauft die Schweiz mehr Waren und Dienstleistungen aus der EU als umgekehrt. Sowohl bei den Waren als auch bei den Dienstleistungen (Tourismus, Banken, Versicherungen usw.) hat die Schweiz mit der EU ein Defizit. Dieses Defizit mit wird dem Brexit voraussichtlich noch grösser.

Leistungsbilanzsaldo der Schweiz 2019 (Mio. Fr.)

Deutschland hält sich nicht an die NEAT-Vereinbarungen, was zu enormen Verzögerungen führt

Die Schweiz hat die NEAT mit der Inbetriebnahme des Ceneri-Tunnels fertiggestellt. Ab Ende 2022 soll sie auf voller Leistung in Betrieb sein. Weil Deutschland bei der Bau des Zubringers über das Rheintal massiv Verspätung hat und sich nicht an die Vereinbarung von 1996 hält, verzögert sich die geplante Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene entsprechend. Die Schweiz hat für den Bau der NEAT übrigens rund 20 Mrd. Fr. ausgegeben. Das sind mehr als 2000 Fr. pro Kopf

Anpassungen der Schweiz an Powerplay der EU oder Deutschlands bisher

Bereits in der Vergangenheit hat die Schweiz dem EU-Powerplay rasch nachgegeben, ohne etwas herauszuholen. So beispielsweise bei der Aufgabe der Steuerstatus (USR III, STAF) oder dem Bankgeheimnis mit ausländischen Kunden. Verteilungspolitisch sind diese Veränderungen insgesamt positiv. Aber sie zeigen auch, dass die Schweiz massiv zulegen muss, um aus politischen Konstellationen Kapital zu schlagen.

 

Die Aushöhlung des Lohnschutzes im Rahmenabkommen wäre die erste verteilungspolitisch negative Annäherung an die EU

So oder so: Eine Aushöhlung des Lohnschutzes im Rahmenabkommen wäre die erste Annäherung der Schweiz an die EU, welche verteilungspolitisch negative Auswirkungen hätte. Darum bekämpfen die Gewerkschaften ein Rahmenabkommen, welches den eigenständigen Lohnschutz nicht gewährleistet.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
Top