Mehr prekäre Jobs in der Corona-Krise

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Blog Daniel Lampart

Die Teil-Schliessungen der Wirtschaft wurden auch mit der Aussage «Gesundheit und Wirtschaft sind kein Gegensatz» begründet. So auch von Ökonominnen und Ökonomen der Science-Task-Force. Das ist nicht falsch. Nichts gegen die Ausbreitung des Corona-Virus zu tun, wäre gesundheits- und wirtschaftspolitisch ein völliger Unsinn. Es trifft auch zu, dass nur eine gesunde Bevölkerung eine entsprechende Wirtschaftsleistung erbringen kann. Gleichzeitig ist die Bevölkerung in wohlhabenderen Ländern in der Regel gesünder, weil sie sich ein gutes Gesundheitswesen und eine gesunde Ernährung leisten kann.

Doch die Aussage ist gleichzeitig zu einfach. In der Wirtschaftspolitik gibt es immer wieder Zielkonflikte. Daran hat sich auch in der Corona-Pandemie nichts geändert. Die Forschung weiss aufgrund der erst kurzen Erfahrung mit dem Corona-Virus bis heute nicht genau, welche Schutzmassnahmen (Masken, Schliessungen von Läden, Abstand halten usw.) welche Wirkung haben. Gleichzeitig sehen wir, dass die Arbeitslosigkeit in beunruhigendem Masse angestiegen ist und weiter ansteigt. Es ist zu befürchten, dass wir erst nach der Krise irgendwann verstehen, welche Massnahmen die Ausbreitung des Virus mit möglichst geringer Arbeitslosigkeit hätten verhindern können.

Was bisher kaum beachtet wurde, waren die Auswirkungen der gesundheitspolitischen Massnahmen auf die Arbeitsbedingungen. Leider werden durch die Teil-Schliessungen der Wirtschaft prekäre Jobs gefördert. Die Schliessung der Restaurants beispielsweise hat zu einem Boom bei den Essenslieferungen über Kuriere geführt. Diese haben oft tiefe Löhne, unsichere Arbeitszeiten und eine schlechte soziale Absicherung. Von Aus- und Weiterbildung ganz zu schweigen. Das im Unterschied zu den Restaurants, wo ein Gesamtarbeitsvertrag mit Mindestlöhnen, Sozialleistungen und Massnahmen zur Aus- und Weiterbildung für bessere Arbeitsbedingungen sorgt.

Weil viele Läden behördlich geschlossen sind, haben sich die Einkäufe ins Internet verlagert. Die ausländischen Online-Händler Zalando oder Amazon mit ihren tiefen Löhnen können die Marktanteile weiter ausbauen. Während sich im Schweizer Detailhandel die 22 Fr./h als Lohnuntergrenze relativ gut etabliert haben, zahlen diese grossen Internethändler in ihren Verarbeitungszentren Löhne von meist unter 15 Fr./h. Um die vielen Pakete verteilen zu können, haben die Post und die anderen Logistiker mehr Personal einstellen müssen. Doch dabei handelt es sich meist um Temporärjobs.

Gemäss der heute veröffentlichten Arbeitskräfteerhebung des BFS ist sowohl die Zahl der Berufstätigen mit befristeten Stellen als auch die Anzahl Jobs mit schwankenden Arbeitspensen (Arbeit auf Abruf) im 4. Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Nicht darin enthalten sind die Auswirkungen der Teilschliessungen ab Januar 2021.

Die gesundheitspolitischen Massnahmen treffen Geringverdienerinnen und Geringverdiener besonders stark, da vor allem diejenigen Branchen geschlossen werden, wo sie arbeiten. Gleichzeitig kommen die Arbeitsbedingungen unter Druck, weil die Löhne, Arbeitszeiten und Sozialleistungen in den «Ersatzdienstleistungen» bzw. den «Ersatzdienstbranchen» oft schlechter sind. Gegen diese besorgniserregende Entwicklung braucht es dringend gute Gesamtarbeitsverträge oder – wenn nicht rasch entsprechende GAV entstehen - staatliche Mindestlöhne und Regulierungen. Es darf nicht sein, dass diese Menschen, die schon in normalen Zeiten Mühe haben, mit dem Lohn über die Runden zu kommen, in und insbesondere auch nach der Corona-Krise noch mehr Probleme haben.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

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daniel.lampart(at)sgb.ch
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