Homeoffice: Die Risiken sind grösser als viele meinen

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Blog Daniel Lampart

Die Corona-Pandemie führte zu einem einzigartigen, wenn auch ziemlich improvisierten Feldversuch im Homeoffice. Die Umfragen und Presseberichte sind zwar mehrheitlich positiv. Doch die Risiken werden gegenwärtig unterschätzt.

Bereits ziemlich gut aufgearbeitet sind die Fragen des Arbeitsrechts und des Gesundheitsschutzes. So beispielweise in der ausgezeichneten Übersicht meines Kollegen Luca Cirigliano. Ökonomisch gibt es aber noch grösseren Klärungsbedarf. Das ist vielleicht kein Zufall. Die individualistisch orientierten Wirtschaftswissenschaften tun sich mit dem Kollektiv schwer und haben Mühe, den Wert der Teams und der Zusammenarbeit voll zu erfassen.

Ob die Produktivität im Homeoffice höher oder tiefer ist als im Büro, lässt sich anhand der verschiedenen Studien nicht klar sagen. Das dürfte auch daran liegen, dass kein Unterschied zwischen der Produktivität der einzelnen Mitarbeitenden und der Organisation insgesamt gemacht wird. Also ob eine Einzelperson eine klar festgelegte Arbeit produktiv erledigen muss oder ob die Arbeitsweise einer Firmen oder einer Organisation anpassungsfähig genug ist und die Arbeitsteilung gut funktioniert, wenn ein grosser Teil der Belegschaft im Homeoffice arbeitet. So können einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tatsächlich mehr produzieren, wenn sie nicht gestört werden. Aber gleichzeitig droht das Team zu erstarren. Wenn es weniger Austausch und damit auch «Störungen» gibt, kann auch weniger Neues entstehen. Ein Team kann in einer unkomplizierten Zusammenarbeit vor Ort rascher auf neue Ideen oder Probleme reagieren, als wenn jeder alleine zuhause ist. Möglicherweise geht es auch länger, bis die Probleme überhaupt erkannt werden.

Die Zusammenarbeit in Teams ist auch wichtig, um neue Kolleginnen und Kollegen einzuarbeiten. Dabei geht es nicht nur um die Arbeit selber, sondern auch um das Soziale. Man tauscht sich während der Arbeit spontan aus, geht in die Pause usw. Das gibt den «Neuen» Sicherheit und erleichtert die Integration in die Gruppe. Auch wenn ein Kollege oder eine Kollegin vorübergehend persönliche Probleme hat, spielt das Team eine wichtige Rolle. Die Betroffen können rasch etwas entlastet werden – durch die unkomplizierte, vorübergehende Neuaufteilung der Arbeit oder auch nur durch ein offenes Ohr.

Eine ziemlich düstere Prognose macht der US-Arbeitsmarktökonom Richard Baldwin. Wenn die Firmen erkennen, dass Homeoffice für einen grosse Teil der Belegschaft machbar sei, so können sie das Homeoffice gleich internationalisieren - indem sie auf «billigere Arbeitskräfte» im Ausland ausweichen. In der Computerprogrammierung ist diese Arbeitsform schon relativ stark verbreitet.

Verschiedentlich thematisiert wurde auch die Frage der Überwachung der Arbeitnehmenden über die Arbeitgeber. Es wäre naiv zu glauben, dass die Firmen ihre Angestellten zuhause einfach machen lassen. Die mit dem Homeoffice verbundene Vereinzelung der Arbeitnehmenden wird da und dort auch dazu führen, dass die Firmen besser messbare Vorgaben für die Arbeitsleistung machen und diese auch kontrollieren werden.

Aus Arbeitnehmersicht ist das Homeoffice ambivalenter oder mit grösseren Risiken verbunden, als es auf den ersten Blick scheint. Momentan sehen viele vor allem die Vorteile, dass das Pendeln entfällt usw. Es empfiehlt sich aber, rasch eine Gesamtbeurteilung vorzunehmen. Um negativen Überraschungen vorzubeugen.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

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