Finanzprobleme beim Bund? Alles halb so wild, wie die Finanzstatistiken zeigen

Blog Daniel Lampart

Bundesrätin Karin Keller-Sutter reiht Sparprogramm an Sparprogramm. Dem Bund drohen strukturelle Defizite in Milliardenhöhe. Um diese zu verhindern, müsste auch bei den gebundenen Ausgaben gespart werden. 

Doch bereits eine einfache Analyse zeigt, dass die Lage weit weniger dramatisch. Der Finanzplan des Bundes hat einiges an Luft eingebaut. Ein Teil der Einnahmen ist explizit pessimistisch veranlagt. Dazu kommt, dass die Schuldenbremse jährlich rund eine Milliarde überspart. 

Die grossen Gewinner der Schweizer Finanzpolitik in den letzten Jahren sind die Kantone. Sie profitieren von einem höheren Bundesanteil und einer Verlagerung von Aufgaben an den Bund. Sie haben auf Kosten der Bevölkerung mehr als 40 Mrd. Fr. an Vermögen angehäuft. Geld, das sie nicht brauchen. 

Auch im Hinblick auf die Finanzierung der 13. AHV-Rente können die Kantonseinnahmen einbezogen werden. Denn diese 13. AHV führt bei den Kantonen zu zusätzlichen Steuereinnahmen, was ökonomisch keinen Sinn ergibt. 

Pessimistische Einnahmenprognosen

Vor der Covid-Krise hat der Bund die Einnahmen in vielen Jahren unterschätzt. In den letzten – wirtschaftlich schwierigeren Jahren – hat er sie tendenziell überschätzt. Wie das in Zukunft sein wird, ist unklar. Immerhin scheint die Verbesserung der Einnahmenschätzung positive Auswirkungen gehabt zu haben. 

Einnahmen-Unterschätzung im Budget (in Mio. Fr.)

Im Legislatur-Finanzplan rechnet der Bund mit einem Einnahmenwachstum ohne Sonderfaktoren von 2.4 Prozent. Das nominale BIP soll gemäss den Bundesszenarien hingegen mit knapp 2.7 Prozent wachsen. Ginge der Bund von einem Einnahmenwachstum von 2.7 Prozent aus, wären die Einnahmen um etwas mehr als 200 Mio. Fr. pro Jahr höher. 

Mit der OECD-Mindeststeuer erhält der Bund ab 2026 zusätzliche Einnahmen. Im Finanzplan sind Einnahmen von total 1.6 Mrd. Fr. eingestellt. Davon muss der Bund 75 Prozent den Kantonen überweisen. Der Bund schätzt die Einnahmen auf 1 bis 2.5 Mrd. Fr. Es ist möglich, dass sie höher ausfallen als 1.6 Mrd. Fr. Bei 2.5 Mrd. Fr. Einnahmen hätte der Bund 225 Mio. Fr. zusätzlich zur Verfügung. Unabhängig davon ist die Annahme der 1.6 Mrd. Fr. etwas aussergewöhnlich. Üblicherweise verwendet der Bund den Mittelwert der Schätzung für den Finanzplan; das wären 1.75 Mrd. Fr.

Schuldenbremse bremst Ausgaben zu stark und entzieht den Steuerzahlenden Geld

Die Schuldenbremse sollte Einnahmen und Ausgaben «auf Dauer im Gleichgewicht» halten. In der Realität führt sie jedoch dazu, dass der Bund mehr einnimmt, als er ausgibt. Der Grund für diese Asymmetrie ist, dass die Schuldenbremse auf das Budget angewendet wird und die effektiven Ausgaben geringer sind als die budgetierten. In der Vergangenheit entzog der Bund daher den Steuerzahlenden rund 1 Mrd. Fr. pro Jahr. über die Schuldenbremse hinaus. Oder mit anderen Worten könnte der Bund jährlich rund 1 Mrd. Fr. mehr ausgeben als heute unter der zu restriktiven Schuldenbremse möglich wäre. 

Nicht ausgeschöpfte Ausgaben der Schuldenbremse («Kreditreste») (in Mio. Fr.)

Teuerung in der Schuldenbremse nicht vollständig berücksichtigt

Die Schuldenbremse unterstellt, dass die Einnahmen sich 1:1 im Gleichschritt mit dem realen Bruttoinlandprodukt entwickeln und die Teuerung zu vernachlässigen ist. Das ist unplausibel. Denn MWSt, DBSt u.a. wachsen mit der Teuerung mit. Eine ökonometrische Analyse bestätigt das. Die Bundeseinnahmen schwanken stärker als das reale BIP, entwickeln sich aber ziemlich im Einklang mit dem nominalen BIP. Die Elastizität aufs reale BIP ist 1.2 bis 1.3; aufs nominale BIP hingegen im Bereich von 1 (s. die Schätzergebnisse im Anhang). 

Wenn man davon ausgeht, dass die Teuerung in der Hochkonjunktur eher höher und Rezessionen eher tiefer ist, führt der in der Schuldenbremse unterstellte 1:1-Zusammenhang mit dem realen BIP eher zu einer prozyklischen Finanzpolitik. In der Hochkonjunktur werden höhere Ausgaben zugelassen. In der Rezession muss hingegen gespart werden. 

Kantone verbessern finanzielle Lage auf Kosten des Bundes

Der Bund hat im Laufe der Zeit immer mehr Aufgaben übernommen. Gleichzeitig haben die Kantone wiederholt höhere Bundesanteile an den Einnahmen verlangt. So beispielsweise bei der Steuervorlage STAF als der Kantonsanteil an den Bundessteuern von 17 auf 21.2 Prozent erhöht wurde (ca. 1 Mrd. Fr.). Der Anteil des Bundes an den gesamten Staatsausgaben ist heute höher als früher – selbst wenn die Covid-Finanzierung nicht berücksichtigt würde.

Anteil des Bundes an den gesamten Staatsausgaben (brutto, in Prozent)

Den Kantonen geht es finanziell ausgezeichnet. Sie machten in den letzten knapp 10 Jahren durchgehend Milliardenüberschüsse – alleine im letzten abgeschlossenen Rechnungsjahr (2022) waren es über 3 Mrd. Fr. - und entzogen somit der Bevölkerung finanzielle Mittel. Heute weisen sie ein Eigenkapital von über 40 Mrd. Fr. aus (nimmt man noch die Gemeinden dazu, liegt das Eigenkapital bei über 100 Mrd. Fr.). Aus ökonomischer Sicht macht ein so hohes Eigenkapital keinen Sinn. Die höheren Bundesanteile brauchten sie u.a. für Steuersenkungen. Die Gewinnsteuern der juristischen Personen sind heute beispielsweise rund 2 Mrd. Fr. tiefer als das ohne die Steuervorlage STAF gewesen wäre. 

Eigenkapital der Kantone (in 1000 Franken)
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