Eine wirtschaftliche Öffnungspolitik, die den Arbeitnehmenden nützt. Kommentar zum Abkommen mit den USA

Blog Daniel Lampart

Die wirtschaftliche Öffnung ist weltweit im Gegenwind. Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Viele Arbeitnehmende sind mittlerweile skeptisch. Ihre Firmen verdienen Geld. Die Kaderlöhne steigen, während ihre Reallöhne kaum vom Fleck kommen. Der Druck am Arbeitsplatz steigt. Die Umgangsformen sind härter geworden. Sie fragen sich, ob ihnen die wirtschaftliche Öffnung überhaupt nützt oder ob sie sogar schadet. Für die Schweiz als Land mit einem kleinen Binnenmarkt und einer hochproduktiven Wirtschaft ist diese Entwicklung unvorteilhaft. Das Land braucht weltweit einen guten Marktzugang. Gleichzeitig muss dieser Marktzugang den Arbeitnehmenden nützen - über gute Löhne, Arbeitsbedingungen und berufliche Möglichkeiten.

Schweizer Lohnniveau wird von der produktiven Exportwirtschaft bestimmt – Marktzugang im Ausland ist wichtig

Löhne und Arbeitsbedingungen in der Schweiz hängen davon ab, wie erfolgreich Schweizer Unternehmen auf ausländischen Absatzmärkten sind. Das gilt nicht nur für Arbeitnehmende in der Exportindustrie, sondern auch in der restlichen Wirtschaft. Dass eine Bäckerin in der Schweiz mit 4500 bis 5000 Franken Monatslohn mehr verdient als ihr Kollege in Deutschland mit knapp 3000 Euro hängt nicht nur mit der Ausbildung und der Arbeitsweise in der Schweiz zusammen. Sondern es ist die Folge des generell höheren Lohnniveaus in der Schweiz, das von sehr produktiven, ertragsstarken Exportfirmen bestimmt wird. 

Binnenmarkt: Die Schweiz im Vergleich

Die Schweiz hat einen kleinen Binnenmarkt. Er ist viel kleiner als derjenige der EU und den USA. Unser Binnenmarkt ist zu klein, um die hohen Investitionen in neue Produkte zu amortisieren. Die Schweiz alleine kauft zu wenig Maschinen oder Medikamente, um die Entwicklungskosten einzuspielen. Der Marktzugang in andere Länder – in Europa, aber auch auf anderen Kontinenten – ist deshalb wirtschaftlich von grosser Bedeutung. Die Schweiz als offene Volkswirtschaft mit einem kleinen Binnenmarkt muss ihre Produkte auf der ganzen Welt verkaufen, um den Wohlstand und die Löhne zu gewährleisten.

Der neue Protektionismus auf der Welt steht dem entgegen. Aus Arbeitnehmersicht sind Abkommen für einen fairen und offenen Marktzugang und zum Abbau von Handelshemmnissen zu begrüssen. Das funktioniert aber nur, wenn diese den Arbeitnehmenden in den beteiligten Ländern nützen. 

Arbeitgeber schenken Trump Gold und Luxusuhr. Bei den Löhnen hingegen stehen sie auf der Bremse

Viele Arbeitnehmer:innen in der Schweiz fanden das Bild mit den reichen Schweizer Unternehmern beim US-Präsidenten und Milliardär Trump stossend. Sie schenkten Trump Gold und eine Luxusuhr. Demgegenüber erhalten die Arbeitnehmenden nicht einmal die Lohnerhöhungen, die sie verdienten. Die Reallöhne stagnieren seit mehreren Jahren, obwohl die Wirtschaft gut läuft.

Realer Medianlohn und Trendentwicklung der letzten Jahre (gemäss LSE, in Franken pro Monat, standardisiert)

Firmen kündigen Milliardeninvestitionen im Ausland an. In der Schweiz wollen sie weitere Vorteile. Wo ist das Investitionsversprechen in der Schweiz?

Die Schweiz hat den USA versprochen, dass die Schweizer Firmen in den nächsten Jahren 200 Mrd. Fr. investieren werden. Indien wurden 100 Mrd. Fr. Investitionen versprochen. Viele Arbeitnehmende in den Exportbranchen fragen sich, was das konkret heisst. Sie fragen sich, ob ihre Arbeitsplätze verschwinden, wenn die Firmen die Produktion ins Ausland verlagern. Die Antwort auf diese Frage ist bis jetzt ausgeblieben. Wir hören, dass viele dieser Investitionen in den USA so oder so getätigt würden. Die Details sind aber noch unklar. 

Eigentlich müssten die Firmen Investitionen in die Schweiz ankündigen, nachdem sie nach den Verhandlungen mit den USA und Indien einen besseren Marktzugang und somit auch bessere Absatzmöglichkeiten erhalten haben. Mit Mercosur/Malaysia kommen weitere Abkommen in die entscheidende innenpolitische Phase. Wir hören nichts dergleichen. 

Im Gegenteil: Die Arbeitgeber kritisieren den Standort Schweiz und wollen teilweise sogar eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der sozialen Sicherheit. Sie fordern über den Nationalrat, dass viele neu neun Sonntage pro Jahr arbeiten müssen. Sie verlangen noch tiefere Sozialabgaben, obwohl diese bereits seit Jahren bei den Familienzulagen und bei der Unfallversicherung sinken. Und sie fordern ein höheres Rentenalter, obwohl die Situation bei den Arbeitnehmenden im Alter 55-60plus schlechter ist als früher.

Schweiz verspricht USA den Ausgleich der Handelsbilanz, obwohl die USA von den Geschäften mit der Schweiz profitiert

Die Schweiz hat den USA versprochen, «Massnahmen zu ergreifen, um ihren Handel mit den Vereinigten Staaten auszugleichen.»  Dabei ist der Handel mit den USA wohl ausgeglichen, wenn man richtig rechnet. Die Schweiz ist abhängig von US-Tech-Firmen wie Microsoft oder Google. Am Abend schauen viele Netflix. Wir kaufen viel mehr Dienstleistungen aus den USA als wir solche exportieren. Die Handelsbilanz mit den USA ist völlig verzerrt. US-Firmen beliefern die Schweiz aus China, Irland, Indien usw. Diese Verkäufe werden in der Handelsbilanz nicht den USA angerechnet. Wenn wir iPhones kaufen, wird das in der Handelsbilanz vor allem China und Indien zugerechnet, obwohl das grosse Geld in den USA bei Apple landet.

Importe von Smartphones nach Ländern gemäss Schweizer Aussenhandelsstatistik (nominal, Anteile in Prozent)

Es gibt noch viele Fragen zur Ernsthaftigkeit der «Absichtserklärung» zwischen der Schweiz und den USA. Die Senkung der Zölle auf 15 Prozent bzw. auf null Prozent bei Kaffee und in der Luftfahrt sichert viele Tausend Arbeitsplätze. Gleichzeitig verspricht die Schweiz 200 Mrd. Fr. an Investitionen und erklärt sich zu Massnahmen bereit, um die Handelsbilanz mit den USA auszugleichen. Wenn die Investitionen zu einer Verlagerung der Produktion in die USA führen (Pharma u.a.) und wenn die völlig verzerrte Handelsbilanz «ausgeglichen» wird, wird das Schweizer Wirtschaft gegenüber den USA deutlich schwächen. Die Arbeitsplatzbilanz dürfte dann negativ werden. 

Handlungsbedarf

Für die Löhne und die Arbeitsplätze der Schweizer Arbeitnehmenden ist der weltweite Marktzugang wichtig. Die Markzugangs-Abkommen müssen den Arbeitnehmenden nützen – in der Schweiz und in den Ländern der Abkommenspartner. Sie müssen von den Abkommen profitieren – nicht nur die Firmen und Arbeitgeber. 

  • Die Löhne müssen in der Schweiz real steigen. Die Arbeitsproduktivität erhöht sich um rund 1 Prozent pro Jahr. Die Reallöhne müssen dieser Entwicklung folgen. Die Rechte der Personalvertretungen in den betrieblichen Lohnverhandlungen müssen gestärkt werden (Informationsrechte, besserer Schutz vor Kündigungen).
  • Die Arbeitgeber haben eine Mitverantwortung, dass es den Arbeitnehmenden besser geht. In Wirklichkeit sind sie immer wieder an politischen Vorstössen beteiligt, die die Arbeitsbedingungen verschlechtern (Sonntagsarbeit, Unterlaufen von Mindestlöhnen u.a.). Die Gewerkschaften bekämpfen diese Vorhaben.
  • Die Firmen und Arbeitgeber erhalten dank den Marktzugangsabkommen bessere Exportmöglichkeiten. Nun müssen sich auch in der Schweiz investieren, statt weitere politische Druckversuche zu starten. Nach den Zollsenkungen braucht es einen «Investment-Pledge» für die Schweiz.
  • Der Schweizer Franken ist stark überbewertet und ist eine Gefahr für die Arbeitsplätze und die Löhne in der Schweiz. Der SGB erwartet von der Nationalbank SNB, dass sie auf einen fairen, stabilen Frankenkurs hinwirkt.
  • Die Schweiz muss ihre Absatzmärkte noch stärker diversifizieren. Die US-Zölle haben auch die Abhängigkeit gegenüber den USA offengelegt. Bund und Kantone können die Firmen bei der Innovations- und Investitionstätigkeit unterstützen. Doch will der Bund ausgerechnet jetzt in der schwierigeren Ausgangslage bei Innosuisse sparen. Die Gewerkschaften lehnen das ab. 
     
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