Pakt von Porto

Blick nach Europa
Verfasst durch Andreas Rieger

EU-Sozialgipfel

Portugal war Anfang Mai Zentrum der Diskussion über ein soziales Europa. In der Stadt Porto unterzeichneten am «Sozialgipfel» die Spitzen der EU-Institutionen, der Gewerkschaften und der Arbeitgeber den Pakt von Porto für die «Säule der sozialen Rechte». Sie soll den Menschen in der EU mehr Rechte verschaffen.

Rosskur

Eigentlich paradox: Denn es war just ebendiese EU-Spitze, die vor zehn Jahren Portugal mit antisozialen Massnahmen gepeinigt hatte. Mit einem  mörderischen Sparpaket, mit Absenken der Löhne, Aushöhlen der Gesamtarbeitsverträge usw. Mit dieser Dumping-Rosskur hätte Portugal wieder «wettbewerbsfähig» werden sollen. Doch obschon das Land viele Massnahmen bald rückgängig machte, als eine linke Regierung ans Ruder kam, dümpeln die portugiesischen Reallöhne noch heute auf dem Stand von damals. Und jetzt solldie Rettung ausgerechnet von der EU kommen, feierlich verkündet in Porto?

Der Pakt sei nur warme Luft, sagen die portugiesischen Kommunisten. Auch die starke Gewerkschaft CGTP sieht darin noch keine wirkliche soziale Wende.

Offenes Fenster

Und doch sind diese ersten Schritte zu einem solidarischeren Europa eine Tatsache. In der Coronakrise hatdie EU nämlich gemeinschaftlich Geld  aufgenommen. Für günstige Kredite zur Stützung des Gesundheitswesens und der Arbeitslosenversicherungen. Und für ein riesiges  Investitionsprogramm zur Wiederankurbelung der Wirtschaft. Davon erhält Portugal 14 Milliarden à fond perdu. Zudem ist die Schuldenbremse bei den Staatsbudgets bis 2022 aufgehoben: Die EU setzt neu auf Investieren, nicht auf Sparen.

Mit dem Pakt von Porto verspricht die EU-Kommission, jetzt auch bei den sozialen Rechten vorwärtszumachen: Lohngleichheit für die Frauen, Erhöhung der Mindestlöhne, Ausbau der Kollektivverträge. Noch sind die Gesetze nicht definitiv. Aber in Europa sind sich die fortschrittlichen Kräfte einig: ein Fenster voller Möglichkeiten ist aufgestossen. In den nächsten Monaten können also verbindliche Sozialrechte genagelt werden. Immerhin!

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