Jetzt fliessen sie, die Milliarden aus EU-«Recovery Funds», dem Wiederaufbau-Topf der Europäischen Union. 750 Milliarden Euro schwer, soll er den Mitgliedländern zu einem Konjunkturanschub nach der Coronakrise verhelfen. Spanien erhielt schon im Januar eine erste Tranche von 10 Milliarden. Jetzt wurden die ersten 21 Milliarden für Italien freigegeben, 190 Milliarden werden es insgesamt sein. Davon müssen 40 Prozent nicht zurückbezahlt werden. Das ist viel Geld: Umgerechnet auf Schweizer Verhältnisse, entsprächen die 190 Milliarden Euro etwa 25 Milliarden Franken.
Fast die Hälfte des Geldes geht in den Süden. Fast 70 Milliarden in den ökologischen Umbau, 20 Milliarden ins Gesundheitswesen, insbesondere in die spitalexterne Pflege. Und nochmals 20 Milliarden fliessen in Bildung und Forschung. Noch ist nicht garantiert, dass das alles rundläuft. Die Gewerkschaften mischen sich deshalb jetzt ein. Sie wollen sicherstellen, dass der Staat die Gelder wirklich für neue Projekte einsetzt und nicht für schon ewig vorgesehene. Und sie wollen kontrollieren, dass das Geld nicht in Projekte fliesst, die prekär arbeiten lassen.
Corona & Rezession
Die EU-Milliarden kommen gerade zur rechten Zeit. Einen Investitionsanschub braucht Europa nämlich nicht nur zur Überwindung der Ausfälle aus der Coronakrise. Sondern auch gegen die Rezession, die nun mit dem Krieg in der Ukraine droht. Vielleicht muss die EU den grossen «Recovery»-Topf sogar noch vergrössern. Denn jetzt braucht es noch schnellere Grossinvestitionen, um die Energieversorgung sicher- und umzustellen. Die EU hat zudem einen neuen Wiederaufbaufonds für die Ukraine angekündigt.
Gemeinsame Antwort
Noch vor wenigen Jahren hatte die EU jede solidarische Kreditaufnahme verweigert und stattdessen allen Mitgliedstaaten Sparprogramme verschrieben. Jetzt zeigt sie sich von einer besseren Seite und hat eine gemeinsame Antwort auf Probleme, welche die Staaten nicht mehr allein lösen können. Das wird auch von den Bürgerinnen und Bürgern geschätzt: Anti-Europa-Parolen stossen derzeit auf weniger Widerhall als auch schon. Vor fünf Jahren punktete Marine Le Pen in Frankreich zum Beispiel noch mit EU-Bashing, jetzt im Präsidentschaftswahlkampf musste sie Kreide fressen. Profitiert von der Europapolitik hat aber Emmanuel Macron.