Arrogant, dumm und selbstmörderisch. So wurde die neue britische Ministerpräsidentin Liz Truss charakterisiert. Aber ihr Regierungsprogramm ist kein Irrwitz. Es ist ein Plan: Wie zur Zeit von Maragret Thatcher sollten die «Märkte entfesselt» werden: Erst Steuersenkungen und dann Abbau von staatlichen Diensten und Regulierungen. Aber im Jahr 2022 ist so ein Plan reine Ideologie. Denn in Grossbritannien ist fast alles privatisiert, die Steuern sind tief, die Gewerkschaften gestutzt, der Service public auf Schmalkost. Doch die Delegierten der Konservativen Partei wählten Truss gerade wegen dieser Ideologie.
Voodoo-Ökonomie
Truss hat Steuergeschenke versprochen: Fast 50 Milliarden Pfund sollten die Unternehmen und die Reichen weniger zahlen. Da so viel Geld kurzfristig gar nicht einzusparen ist, wollten Truss und ihr Finanzminister Kredite aufnehmen – trotz steigender Zinsen. Solche Voodoo-Ökonomie war sogar den abgebrühten britischen Kapitalisten zu viel. Sie lehnten das Geschenk auf Pump ab, und die «Märkte» reagierten promt: Die Zinsen schnellten hoch, das Pfund wertete sich ab, die Wirtschaft taumelt. Um nicht gestürzt zu werden, liess Truss ihren Finanzminister fallen und nahm die Steuersenkungen zurück. Aber ansonsten will sie weitermachen: Aufräumen mit dem Gerede von «Umverteilung». Beim Staat sparen und weniger «Almosen verteilen» – dies kurz vor einem Winter, in dem Millionen Britinnen und Briten frieren werden. Truss will die Arbeitszeit deregulieren. Die britischen Arbeitenden sollen «mehr chrampfen». Damit sie nicht die Arbeit niederlegen, will Truss das Streikrecht weiter beschneiden.
Streikwelle
Aber auch dieser Plan dürfte scheitern. Denn die arbeitende Klasse ist zurück. Schon im Sommer ging eine Streikwelle durchs Land Nun kommt die nächste und erfasst die Kehrichtabfuhr, die Transportarbeitenden und die Lehrpersonen. Gerade rechtzeitig tagt der Kongress des britischen Gewerkschaftsbunds TUC. Er soll die Kämpfe koordinieren, mit gemeinsamen Forderungen: voller Teuerungsausgleich, Erhöhung des Mindestlohns, Preisdeckel und Verstaatlichung bei der Energie, Recht auf Kollektivverhandlungen und Streiks. Ein harter Winter kommt auf Grossbritannien zu.
Dieser Beitrag wurde in der Print-Ausgabe der Zeitung Work am 21. Oktober veröffentlicht.