Falsch aufgegleist

Blick nach Europa
Verfasst durch Andreas Rieger

Rahmenabkommen Schweiz - EU

Die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU über das institutionelle Rahmenabkommen rutschen auf den Abgrund zu. Sie waren von Anfang an schräg aufgegleist. Die EU wollte unter anderem die Frage des Lohnschutzes in der Schweiz klären: Deutsche und polnische Patrons beklagten sich nämlich darüber, dass sie keinen freien Zugang zu lukrativen Dienstleistungen auf dem Schweizer Markt hätten. In Brüssel stiessen sie auf offene Ohren bei den Marktfundis der «Generaldirektion Handel» in der EU-Verwaltung. Jener Abteilung, «die mit dem Begriff der sozialen Gerechtigkeit am meisten Rechtschreibeprobleme hat». Das sagte so fein der Grüne Sven Giegold, ein guter Kenner der Brüsseler Politik, in der WOZ. Er sieht es als ein Grundproblem, dass ausgerechnet diese Abteilung für die Verhandlungen mit der Schweiz  zuständig ist. Für sie ist Arbeitsschutz ein Hindernis, freier Markt dagegen ein Grundrecht.

Falsche Prioritäten

Andere brennende Fragen waren für die EU-Verhandler dagegen kaum Thema: Dass Schweizer Sozialrechte in mehreren Punkten hinter der EU herhinken, hat sie nicht  gestört. Dass die Schweiz Steuerdumping betreibt, ebenfalls nicht. Dass EUBürgerinnen und -Bürger in der Schweiz nach jahrelanger Berufstätigkeit ihr Aufenthaltsrecht  verlieren können, entdeckte die EU erst am Schluss.

In der neoliberalen Ausrichtung haben sich die Verhandler auf beiden Seiten des Tisches jedoch gefunden. Auch die Schweizer Seite, allen voran Aussenminister Ignazio Cassis, fand unsere flankierenden Massnahmen (FlaM) antiquiert. Nur allzu gerne war sie bereit, die FlaM auf dem Altar des gemeinsamen Marktes zu opfern. Offensichtlich hat jedoch niemand mit dem Veto der Gewerkschaften gerechnet.

Das Problem ist politisch

Leider hat es jetzt ganze zwei Jahre gedauert, bis unsere Regierung sich ein Herz fasste und Bundespräsident Guy Parmelin in Brüssel endlich Klartext sprach: Am  Lohnschutz sei nicht zu rütteln, beschied er. In Brüssel zeigte man sich «überrascht» und «schockiert». Jetzt hat die EU-Kommission ein politisches Problem. Denn es geht nun um mehr als um die freie Fahrt für ein paar Arbeitgeber. Will die EU die Verhandlungen jetzt wirklich scheitern lassen? Und danach Sanktionen gegen die Schweiz verhängen? Das ergibt letztlich keinen Sinn. Denn was die EU definitiv nicht gebrauchen kann, ist eine Schweiz als «Alpen-Singapur» – mit schwach regulierten Banken, tiefen Steuern und wenig Arbeitsrechten.

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