Die europäische Sozialdemokratie ist schon häufig totgesagt worden. In einzelnen Ländern liegt sie heute in der Tat am Boden, zerstört durch ihre eigene neoliberale Politik. In Frankreich macht der Parti socialiste gerade noch 6 Prozent der Stimmen. Und war früher immerhin mehrmals stolze Regierungspartei. Die europäischen Wahlen straften die SP in mehreren Ländern ab. Aber gleichzeitig haben die Sozialisten in Spanien und Portugal mit einer starken sozialen Offensive zu einem eigentlichen Höhenflug angesetzt, in Aktionseinheit mit anderen fortschrittlichen Kräften. Auf die konkrete Politik kommt es also an.
Nach den Wahlen: nichts zu lachen
Allen Linken, die sich schon über den Niedergang der nach rechts gerutschten Sozialdemokraten gefreut hatten, blieb nach den Europawahlen das Lachen im Halse stecken. Denn in fast keinem Land schafften es die Linken links der SP, in jene Lücke zu springen, die die schrumpfenden Sozis hinterlassen hatten. Selbst die französische Bewegung von Jean-Luc Mélenchon hat, verglichen mit den letzten nationalen Wahlen, ein schlechtes Resultat eingefahren.
In die Lücke sprangen dafür die Grünen, und zwar in mehreren Ländern. Sie konnten ihre Sitze zum Teil fast verdoppeln. Und die gute Nachricht: Die Grünen segeln nicht nur auf der ökologischen Welle. Die stellvertretende Vorsitzende der Grünen Europafraktion, Terry Reindtke zum Beispiel, sagt: "Als Ruhrpottkind ist es für mich zentral, dass die EU endlich sozialer wird." Die Grünen haben sich in den letzten Jahren im Parlament stark gegen das Lohndumping in der EU engagiert.
Mehr Autonomie für die Gewerkschaften
Traditionellerweise waren die Gewerkschaften meist eng mit einer einzigen linken Partei verbunden. Mit der Sozialdemokratie oder der kommunistischen Partei. Sehr oft wurden die Gewerkschaften da auch für Parteizwecke missbraucht. Aus dieser Umklammerung haben sie sich unterdessen mehrheitlich gelöst, auch der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB). Zum Glück! Denn nun können sich die Gewerkschaften jeweils mit allen Parteien verbünden, die eine konsequente Agenda im Interesse der Arbeitenden verfolgen. Das macht ihre Politik viel autonomer.